MIT DER CSFR-WIRTSCHAFT AUF DU UND DU
: Prag sieht Stabilisierungserfolg

■ Doch der Wirtschaftsentwicklung droht weiterhin der Kollaps

Berlin (taz) — Vaclav Havel kann sich freuen: Das tschechoslowakische Reformpaket, so verkündet die Regierung, zeitigt erste Erfolge. Finanzminister Klaus erklärte jüngst, die makroökonomische Stabilisierung sei erreicht. Vor den für den Jahresbeginn 1992 angekündigten weiteren Preisfreigaben und der Liberalisierung des Außenhandels können sich die ökonomischen Kennzahlen der CSFR im Vergleich zu anderen osteuropäischen Staaten durchaus sehen lassen. Die Haushaltsausgaben haben sich stabilisiert, die Inflationsrate, die nach der Preisfreigabe im Januar bei über 25 Prozent lag, ist abgebremst. Doch die Wirtschaftskrise ist damit längst nicht bereinigt. Das von der Prager Regierung geschnürte Reformpaket, streng auf eine monetäre Stabilisierung und Haushaltskonsolidierung ausgelegt, steht kurz vor weiteren Bewährungsproben. Der Handel, durch den auseinanderstobenden Comecon-Markt in diesem Jahr um gut ein Drittel eingebrochen, soll mit der Außenhandelsliberalisierung neuen Wind erhalten. Die verhängten Importzuschläge auf Konsumgüter wurden stufenweise abgebaut; die Krone, die Landeswährung, dreimal abgewertet. Die bevorstehende Privatisierung der wichtigsten Industrie- und Dienstleistungsbetriebe dürfte der eigentliche Prüfstein sein. Die Industrieproduktion ist allein in diesem Jahr um ein Drittel zurückgegangen. Für das Bruttosozialprodukt prognostizieren die Wirtschaftsexperten ebenfalls einen deutlichen Einbruch um rund zwölf Prozent. Die Reallöhne, letztes Jahr um nur vier Prozent geschrumpft, sind 1991 bisher um rund 20 Prozent gesunken. Die Arbeitslosenquote ist auf sechs Prozent angewachsen, und sie wird weiter steigen, wenn die nicht konkurrenzfähigen Betriebe dichtgemacht werden.

Immer mehr Betriebe stecken in Zahlungsschwierigkeiten, nach Schätzungen von Wirtschaftsfachleuten müssen bis zu 30 Prozent ihre Produktion einstellen und schließen. Die prekäre Lage wird zusätzlich durch die ökonomische Spaltung des Landes verschärft: In der Slowakei liegt die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch wie in der industrialisierten Tschechei; die slowenische Wirtschaft, voran die dahinsiechende Rüstungsindustrie, hat kaum Überlebenschancen.

Die Radikalkur der Regierung wird von der Opposition weiter scharf attackiert: die Restriktionspolitik sei überdosiert, die Liberalisierung überhastet und die internationale Konkurrenzfähigkeit längst nicht erreicht, so daß ein Kollaps zu befürchten sei. Erwin Single