Urteilsverkündung im Spionage-Prozeß

Berlin. Im Spionage-Prozeß gegen einen ehemaligen Verwaltungsangestellten vor dem Berliner Kammergericht wird heute voraussichtlich das Urteil gesprochen. Der 48jährige ist angeklagt, dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unter anderem die komplette Gehaltsliste der Berliner Verwaltung mit über 35.000 Namen verraten zu haben. Darunter waren auch die Namen der Mitarbeiter des Berliner Verfassungsschutzes. In der Verhandlung am vergangenen Mittwoch hatte ein Verfassungsschützer den Angeklagten als »wichtigen Baustein« für die DDR-Spionage bezeichnet.

Außerdem verschaffte er der Stasi Lagepläne der Innenverwaltung, interne Dienstanweisungen verschiedener Behörden sowie Telefonlisten von Mitarbeitern. Als Angestellter der Besucherbüros in West-Berlin informierte er von 1971 bis 1973 das MfS über die Vorgänge in der Dienststelle. Der Angeklagte hatte sich in den sechziger Jahren als Agent der Stasi auf dem Ostberliner Bahnhof Friedrichstraße angedient. Als Grund gab er im Prozeß Geldsorgen an. Er soll monatlich nicht mehr als 400 Mark sowie zwei NVA- Dienstorden bekommen haben.

Verteidiger Ülo Salm rechnet für seinen Mandanten mit einer Freiheitsstrafe von drei bis vier Jahren. Sein Mandant habe ein umfassendes Geständnis abgelegt und keinen großen Schaden angerichtet, sagte er gestern. Möglicherweise wird heute noch der Führungsoffizier des Angeklagten vernommen.

Vor dem Berliner Landgericht wird am Mittwoch auch der Mauerschützenprozeß fortgesetzt. Am 20. Verhandlungstag will die Strafkammer erneut frühere MfS-Angehörige vernehmen. dpa