Zeitenwende

■ Die japanischen Blauhelme bringen das Sicherheitssystem Asiens durcheinander

Zeitenwende Die japanischen Blauhelme bringen das Sicherheitssystem Asiens durcheinander

Pünktlich zum 50. Jahrestag von Pearl Harbor signalisiert das gestern in Tokio verabschiedete Blauhelmgesetz eine Zeitenwende über dem Pazifik. Japan, das den Westen ökonomisch längst aufgeholt hat, wagt heute den ersten, zaghaften Schritt aus dem sicherheitspolitischen Schatten des Siegers. Die USA sind sogar verantwortlich für dieses waghalsige diplomatische Großmanöver in Asien. Aus Washington kamen ständig Vorhaltungen, daß Tokio — ähnlich wie das noch zögerlichere Deutschland — seiner neuen Führungsrolle nicht ausreichend nachkäme. Nun könnte schon im nächsten Frühjahr das bislang Unvorstellbare geschehen: Werden dann japanische Soldaten wie schon vor fünfzig Jahren — doch nun freilich unter UN-Flagge — in Kambodscha einziehen?

Der durchaus realistische Testfall würde das asiatische Sicherheitssystem vor eine harte Probe stellen. Seit den fünfziger Jahren galt hier die Yoshida-Doktrin, benannt nach dem japanischen Nachkriegspremier Shigeru Yoshida. Der ging davon aus, daß sich sein Land auf die wirtschaftliche Entwicklung konzentrieren solle, während die USA die diplomatischen und militärischen Beziehungen Japans kontrollierten. Wie groß die regionale Verunsicherung bereits heute ist, zeigen die zurückhaltenden bis negativen Reaktionen der asiatischen Hauptstädte auf den Gesetzesentscheid in Tokio. Sie alle befürchten einen Rückzug der USA aus der Region, der dann dem japanischen Militärpotential eine eigenständige Bedrohlichkeit zuwachsen ließe. Das aber ist noch auf absehbare Zeit Zukunftsmalerei. Mit Blauhelmen wird Nippon nicht ausziehen, die Welt neu zu erobern. Vielmehr will die japanische Regierung auf diesem Weg Klarheit gegenüber dem Westen schaffen: „Wie immer auch eure ,neue Weltordnung‘ aussieht — wir jedenfalls sind dabei“, ist die zukünftige Botschaft japanischer Blauhelme. Doch leicht wird diese Botschaft für Tokio nicht immer zu erfüllen sein.

Schon im Fall Kambodscha scheint der Konflikt zwischen westlichen Menschenrechtsmaximen, die UN-Blauhelme dort verteidigen sollen, und innerasiatischer Machtpolitik unausweichlich. Doch es liegt nicht im Interesse Japans, in Kambodscha die Konfrontation beispielsweise mit China zu suchen. Auf welcher Seite also will man stehen? Japan wird sich zwischen der Prinzipienhaftigkeit westlicher Außen- und Sicherheitspolitik und der pragmatischen Fall-zu-Fall-Diplomatie in Asien nie endgültig entscheiden können. Vor allem in New York wird es diplomatischer Feinfühligkeit bedürfen, damit Tokio nicht gleich auf den ersten UN-Befehl antwortet: „Mission impossible.“ Georg Blume, Tokio