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MIT DEM GASHAHN AUF DU UND DUMuß der Osten frieren?

■ Gaskrieger feilschen weiter um marktgerechten Preis

Wird den Ostdeutschen am 1.Januar, mitten im kalten Winter, der Gashahn zugedreht? Müssen Menschen zähneklappernd in unbeheizten Wohnungen ausharren? Das jedenfalls wirft der ostdeutsche Gasmonopolist Verbundnetz Gas AG (VNG), der zum Essener Ruhrgas- Konzern gehört, implizit der BASF-Tochter Wintershall vor. Die wiederum kontert, die VNG blockiere alle Verhandlungen um einen „marktgerechten Preis“ — eine neue Runde im Kampf der Westkonzerne um den Gasmarkt der Ex-DDR (s. taz 24.9.) ist eröffnet. Die VNG verteilt seit jeher sowjetisches Erdgas an Industrie und Kommunen Ostdeutschlands. Als die Ruhrgas AG, die den westdeutschen Markt zu 70 Prozent dominiert, sich frühzeitig 45 Prozent der VNG sicherte, schrillten bei der Konkurrenz BASF die Alarmglocken. Flugs gründete die Tochter Wintershall ein Handels-Joint-venture (50:50) namens WIEH mit der sowjetischen Erdgasgesellschaft Gasprom — und erreichte so die Kontrolle über den Gashahn an der CSFR-Ostgrenze.

Die WIEH behauptet nun, die Sowjets würden nur zu einem Preis von 1,94 Pfennig pro Kilowattstunde liefern. Die VNG bezahlt aber lediglich 1,66 Pfennig — und reklamiert aufgrund von Altverträgen aus dem Noch-DDR-Jahr 1986 die weitere Gültigkeit dieses Preises. Eingeschaltet in den Streit sind inzwischen die Gerichte und das Bundeskartellamt. Die Wettbewerbshüter gaben zu bedenken, daß der VNG-Preis den Sowjets eigentlich nicht zuzumuten sei, weil die VNG-Mutter Ruhrgas — ebenfalls nach Verträgen aus den siebziger und achtziger Jahren — einen höheren Preis für das gleiche Gas bezahle. Andererseits erklärt sich die Kartellbehörde für nicht zuständig und verweist auf die Bundesregierung: Die nämlich hat sich im Einigungsvertrag zur weiteren Abnahme der 2,8 Milliarden Kubikmeter Erdgas verpflichtet, über die die UdSSR und die DDR das sogenannte Orenburg-Regierungsabkommen geschlossen hatten. Höchst fraglich ist also, ob die BASF-Wintershall-WIEH der Konkurrentin Ruhrgas-VNG den Hahn überhaupt zudrehen darf, auch wenn sie behauptet, bei ihr sei inzwischen ein Verlust von 130 Millionen Mark entstanden.

Warum aber steigt BASF nicht einfach aus dem Joint-venture mit den Sowjets wieder aus? Ganz einfach: die hohen Verluste sind der Einstieg in ein zukünftig erfolgversprechendes Geschäft. Experten rechnen in Ostdeutschland mit einem Verbrauchsanstieg von derzeit 9,5 Milliarden Kubikmetern pro Jahr auf über 20 Milliarden im Jahr 2000. Heute hat Erdgas lediglich einen Anteil von 8,7 Prozent am Primärenergieverbrauch der Ostländer — das große Frieren ist selbst bei einem Lieferstopp nicht zu befürchten. Donata Riedel

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