Polens Banken sitzen auf Schuldenberg

Die Hinterlassenschaften der Skandalfirma ArtB haben für die Kreditinstitute ein gerichtliches Nachspiel  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Die Hinterlassenschaft der Skandalfirma ArtB hält die polnischen Banken weiter in Atem. Die Teschener Privatfirma, die mit dubiosen Transaktionen im Spätsommer einen der größten polnischen Finanzskandale auslöste, hat den mit in den Korruptionsstrudel gerissenen Kreditinstituten einen gigantischen Schuldenberg hinterlassen. Um die Begleichung der Altlast sind sich nun die Banken in die Haare geraten, das zum Lehrstück um die Erblasten defizitärer Staatsbetriebe werden könnte.

So hatte die Staatliche Sparkasse PKOBP den beiden Hauptanteilseignern von ArtB, Boguslaw Bagsik und Andrzej Gasiorowski, mindestens sieben Garantien in Höhe von insgesamt 2,8 Billionen Zloty (rund 416 Millionen Mark) ausgestellt. Mit deren Hilfe organisierten sich die Besitzer, die sich bereits vor Monaten nach Israel abgesetzt haben, Kredite bei weiteren Banken. Mit diesen begannen sie dann ihr „Scheckspiel“: Durch Blitzgiros wurden die technischen Unzulänglichkeiten des polnischen Bankensystems so ausgenutzt, daß für jede Summe eine doppelte Verzinsung abfiel.

Staatsanwaltschaft und Staatsschutz kamen schließlich dahinter, daß die präsentierten Garantien gesetzwidrig von hohen Bankern der PKOBP ausgestellt worden waren. Der stellvertretende Nationalbank- Chef Wojciech Prokop, der zuvor für die PKOBP solche Garantien ausgestellt hatte, wanderte in Untersuchungshaft. Bagsik und Gasiorowski werden inzwischen mit internationalem Haftbefehl gesucht. Ihre Firma ArtB war über Polen hinaus bekannt geworden, als sie im Frühjahr eine komplette Monatsproduktion der maroden Warschauer Traktorenfabrik Ursus aufgekauft und deren Vertriebsorganisation übernommen hatten. Das Unternehmen blieb jedoch auf den Traktoren sitzen, auch Versuche, sie im Ausland zu verkaufen, scheiterten. Bereits nach dem Vertrag mit Ursus hatten die polnische Bankenaufsicht, der Staatsschutz und die Finanzbehörden begonnen, ArtB zu überprüfen.

Von dem Reichtum durch Handelstransaktionen und Zinsspekulationen ist nichts übrig, in Polen geblieben sind dagegen Schulden in Höhe von mehreren Billionen Zloty, von denen der Löwenanteil bei der privaten Kattowitzer Kredithandelsbank landete: Sie hatte dem Betrüger-Duo ausgerechnet Kredite aufgrund der erschlichenen und gefälschten Bankgarantien ausgestellt, als die Affäre aufflog und die Staatsanwälte alle ArtB-Firmenunterlagen beschlagnahmten. Bagsik und Gasiorowski vermachten der Bank dafür ihre Firmenanteile, deren Wert allerdings bis heute unklar ist.

Sicher ist inzwischen allerdings, daß sich die Kattowitzer Bank mit der ArtB-Affäre gewaltig übernommen hat. Bekannt wurde die Privatbank, die über komplizierte Firmenverschachtelungen dem schlesischen Geschäftsmann Ryszard Janiszewski gehört, vor allem dadurch, daß sie offen und verdeckt in ganz Polen fast ein Dutzend Zeitungen aufkaufte und als eine der erste damit begann, Schuldentitel polnischer Firmen aufzukaufen — bis die Bank dann vor dem 2,8-Billionen-Schuldenberg stand, der durch die PKO-Garantien bei ArtB aufgelaufen war. Unklar blieb, in welcher Höhe die durch Einlagen von ArtB bei der PKO gedeckt sind. Klar ist dagegen, daß die PKO nicht daran denkt, ihre Garantiepflicht zu erfüllen.

Ein Gerichtsprozeß ist unausweichlich. So aber kommt die Kattowitzer Bank nicht an ihr Geld und sieht sich außerstande, ArtB zu kreditieren, deren Konten von den Behörden gesperrt wurden. Inzwischen traten bereits zwei von der Bank eingesetzte Verwalter zurück, weil sie diesen Schuldenknoten nicht zu lösen vermochten. Die Nationalbank ersetzte inzwischen die Geschäftsführung der Bank durch zwei kommissarische Zwangsverwalter. In Kattowitz führte dies zu panikartigen Reaktionen der Bankkunden. Wie Ryzsard Janiszewski selbst erklärte, zogen viele Sparer ihre Guthaben ab. Nach Janiszewskis Ansicht sind drei Viertel der ArtB-Schulden durch Garantien der PKO abgesichert, das verbleibende Drittel sei durch das Firmenvermögen gedeckt. Auch die Nationalbank scheint Janiszewskis Optimismus zu teilen. Zur Beruhigung der Bankkunden erklärte sie, das Eigenkapital der Bank garantiere deren Liquidität.

Sollte die Bank den anstehenden Prozeß gegen PKOBP um die Auszahlung der Garantien gewinnen, dürfte sie aufgrund der dann anfallenden Konventionalstrafen ohnehin bald wieder schwarze Zahlen schreiben. Dann allerdings drohen PKOBP Liquiditätsprobleme — nicht allerdings deren Gläubigern, denn für die springt laut Gesetz bei Staatsbanken dann Vater Staat ein.

Nach Ansicht polnischer Banker ist der Bankenstreit um das ArtB- Erbe nur ein Vorgeschmack auf das, was Polens Bankenlandschaft beim Konkurs größerer Staatsbetriebe droht. Im letzten Jahr konnten Polens Banken durch die Politik des knappen Geldes überraschend hohe Renditen einfahren. Eine Welle von Konkursen besonders großer Staatsbetriebe, so fürchten Experten, könnte das bald wieder aufwiegen.