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■ »Sure Fire« von Jon Jost startet heute im Sputnik-Kino

Der amerikanische Regisseur Jon Jost ist ein Multitalent — er schreibt, filmt und schneidet alle seine Filme selbst. Sure Fire gehörte sicherlich zu den schönsten Beiträgen im Forum der diesjährigen Berlinale. Aus virtuosen Bildern und einer rudimentären Geschichte ist eine filmische Komposition entstanden, die für anderthalb Stunden an die Kinositze fesselt.

Sure Fire spielt in Circleville (Utah), einer verwitterten, abgelegenen Kleinstadt. Der aggressive Aufsteiger Wes (Tom Blair) will vor Ort Häuser kaufen und sie zu Ferienwohnungen für reiche Kalifornier umrüsten. Da Wes hart, unnachgiebig und besserwisserisch ist, kommt es alsbald zu Konflikten. Nicht nur mit seinem Freund Larry (Robert Ernst), mit dem er gelegentlich von Mann zu Mann zusammenhockt. Auch Wes' Frau Bobbi (Kristi Hager) und sein Sohn Phillip (Phillip Brown) beginnen, unter dem Tyrannen zu leiden. Langsam kristallisiert sich ein Vater- Sohn-Konflikt heraus, der — ist doch gerade Jagdsaison — tragisch enden wird.

Jon Jost erzählt Geschichten nie zusammenhängend. Fragmente reihen sich aneinander, um beim Betrachten verknüpft zu werden. Opulente Landschaftsaufnahmen durchbrechen immer wieder die Filmhandlung. Es ist Spätherbst und die Zeit der klaren, harten Kontraste — goldgelbes Laub vor tiefblauem Himmel, dazwischen schimmern karge Berge unnahbar. Genau wie die Figuren, die zunächst un(be)greifbar bleiben. Die Kamera steht ihnen frontal und statisch gegenüber. Wartet geduldig in Zimmerecken, bis Personen durch Türen kommen und im Gegenlicht erwischt werden.

Als ob sie den lauernden Blick nicht ertragen können, wenden sich die ProtagonistInnen ab, drehen mit Publikum den Rücken zu, sehen zu Boden, aus dem Fenster, starren aus den Bildern, irgendwohin, ins Leere. In Sure Fire gibt es keine Dialoge. In endlosen Monologen unterhalten sich die Personen mit sich selbst, sprechen für sich. Sie erzählen alltäglich Banales und geben sich und ihre Geschichte(n) dabei preis.

Jon Jost läßt seinen ProtagonistInnen Zeit. Ohne festes Drehbuch improvisieren SchauspielerInnen und entwickeln allmählich Figuren. Unter der wortgewaltigen Oberfläche, zwischen verschwenderisch schönen Bildern, verbergen sich Psychogramme. Wes, auf den ersten Blick hemdsärmeliger Aufschneider, wandelt sich im Verlauf des Films zum skrupellosen Träumer, dessen »American Dream« zum Alptraum gerät. Als manischer Patriarch vertritt er schonungslos das »Gesetz der Väter«, das er qua Initiationsritus Jagd an seinen Sohn weitergeben will.

Sure Fire läßt dem Publikum Zeit, in scheinbar Beiläufigem zu stöbern und sich in Bildern um- und sattzusehen. Zwischen den Zeilen Geschichten zu entdecken erfordert jedoch, was keine der Leinwandfiguren vermag — aufmerksames Zuhören und genaues Hinsehen. Vielleicht hat der Film in den USA deshalb noch keinen Verleih gefunden. Michaela Lechner

Sure Fire ; Buch, Kamera, Regie: Jon Jost, mit Tom Blair, Kristi Hager, Phillip Brown, USA 1990, 83 Min. Farbe. Ab 5.12. im Sputnik- Kino, Südstern.