Spion zu drei Jahren Haft verurteilt

■ Westberliner Verwaltungsangestellter arbeitete 26 Jahre für die Stasi/ Geständnis war strafmildernd

Berlin. Ein ehemaliger Verwaltungsangestellter ist gestern vom Berliner Kammergericht zu drei Jahren Freiheitsstrafe wegen Spionage und Bestechlichkeit verurteilt worden. Das Gericht befand den 48jährigen für schuldig, über 26 Jahre für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als Agent gearbeitet zu haben.

Einer der Hauptvorwürfe war die Beschaffung einer kompletten Gehaltsliste des öffentlichen Dienstes im Jahr 1981 mit über 35.000 Daten von Mitarbeitern, darunter auch von Mitarbeitern des Berliner Verfassungsschutzes. Auf diese Weise konnte die Stasi Verfassungsschutzleute identifizieren, hieß es in der Urteilsbegründung. Mindestens acht Mitarbeiter seien sogenannten Zielkontrollaufträgen der Stasi zum Opfer gefallen, um sie abzuwerben. Der Angeklagte müsse deshalb als Agent von nicht geringer Bedeutung eingeschätzt werden.

Während seiner Tätigkeit in der Lohn- und Gehaltsstelle der Berliner Verwaltung seit 1973 verriet der Mann auch die Namen der Mitarbeiter der Meldesammelstelle, Gebäudeskizzen und Lagepläne verschiedener Behörden sowie Türensicherungssysteme, sagte der Vorsitzende Richter. Er sei von seinen östlichen Auftraggebern auch auf einen Mitarbeiter des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz angesetzt worden, habe jedoch keine Informationen beschaffen können.

Strafmildernd berücksichtigte das Gericht, daß der Angeklagte nach Einsicht in seine MfS-Akten ein umfassendes Geständnis abgelegt habe. Da diese Akte im Prozeß nicht verwertbar war, konnte durch das Geständnis eine komplizierte Beweisaufnahme vermieden werden. Eine Gefängnisstrafe sei dennoch unvermeidbar, da die ausspionierten Informationen geeignet waren, Personen und staatliche Belange zu gefährden.

Bei geheimdienstlicher Agententätigkeit komme es für die Verurteilung auf tatsächliche Gefährdungen nicht an. Die Wiedervereinigung dürfe auch nicht dazu führen, daß grundsätzlich unter alle Spionagetätigkeiten ein Schlußstrich gezogen werde. Der Angeklagte habe in West-Berlin gewohnt und müsse sich deshalb dem deutschen Strafrecht unterziehen.

Mit dem Urteil blieb das Gericht unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die fünf Jahre Freiheitsstrafe gefordert hatte. Rechtsanwalt Ülo Salm hatte eine zweijährige Freiheitsstrafe beantragt. dpa