: Ohne Spitzen kein Spitzenspiel
Der SV Werder Bremen schlägt den deutschen Meister 1. FC Kaiserslautern mit 2:0 und steht somit zum fünften Mal in ununterbrochener Reihenfolge im Halbfinale des DFB-Pokals ■ Aus Bremen Markus Daschner
Wann immer die Bremer Fußball- Anhänger Besuch von den Fans aus der Pfalz bekommen, stecken die Ordnungskräfte Kartenspiele statt Schlagstöcken ein und treffen sich nach Anstoß zu einer gemütlichen Skatrunde an den Würstchenbuden im Weser-Stadion. Bremen gegen Kaiserslautern, das ist netter Besuch von auswärts: Rot-grün liebt und neckt sich, und die Verlierer dürfen sich der ehrlichen Anteilnahme ihrer geschätzten Gegner sicher sein. Wer nach dem Spiel mit der Straßenbahn vom Weser-Stadion zum Bahnhof fährt, kommt um einen kollektiv genossenen Freundschaftsschluck aus der letzten Dose Bier kaum herum.
Schade nur für die Bremer, daß bei diesem harmonischen Beziehungsspiel von Trösten und Tanzen die Rollen in letzter Zeit ein wenig einseitig verteilt waren. Viermal hintereinander hatte Fußballmeister Kaiserslautern die Bremer eingeseift, energisch zwar, doch nie ruppig, denn auch auf dem Rasen geht es zwischen den beiden Vereinen durchaus kultiviert zu. Zuletzt war das vor vier Wochen geschehen, als man den Bremern mit einem 0:2 die erste Heimniederlage aufdrückte, und die Mannschaft von der Weser an ihrem sportlichen Tiefpunkt angelangt war.
Am Dienstag abend sollte alles ganz anders werden. Bremen hat sich mit Siegen über Hamburg, München und Frankfurt in der Bundesliga wieder berappelt, dazu kam die schon sprichwörtliche Pokal-Euphorie in der Weserstadt. Wenn hier zum „Pott“ geblasen wird, bekommen die Fans glasige Augen und träumen schon Wochen vorher von mindestens sechs Toren, Verlängerung und Elfmeterschießen. Halb Bremen würde sich zu Weihnachten Karten für das Endspiel schenken, wenn es die schon gäbe. Der SV Werder stand immerhin zum fünften Mal in Serie vor dem Einzug in das DFB-Pokal- Halbfinale.
Allerdings mußten an diesem Dienstag nicht nur die Ordner, sondern auch die Trainer ihre Karten neu mischen, und zwar schon vor dem Spiel. Bei Bremen fehlten mit Frank Neubarth, Klaus Allofs und Marco Bode gleich drei Spitzen. Werders Trainer Otto Rehhagel hatte als letzte Trumpfkarten die beiden Amateure Arie van Lent und Marinus Bester auf die Bank gesetzt. Kalli Feldkamp mußte auf Marcel Witeczek und Torwart Gerald Ehrmann verzichten.
Ein Spiel ohne Spitzen kann kein Spitzenspiel werden, und so fiel das erste Tor für Bremen eher aus Dusseligkeit. Eine Flanke von Jonny Otten, Bremens linkem Außenverteidiger, die nach allen Fußballregeln ohne weiteres den Unbedenklichkeitsstempel verdient hätte, sollte von Kaiserslauterns Abwehrspieler Marco Haber mit Schmackes aus dem Fünf-Meter-Raum geknallt werden. Der traf aber nicht richtig, eher richtig daneben, der Ball rutschte vom Fuß, und Bremens Uwe Harttgen sah, staunte und schoß: 1:0 nach 17 Minuten.
Das ist der Spielstand, bei dem gewöhnlich Pokalspiele beginnen. Die Pärchen des Abends hatten sich gefunden, der Tanz konnte beginnen. Borowka hatte sich mit Hotic liiert, Votava kümmerte sich um Stefan Kuntz, Jonny Otten abwechselnd um Goldbaek und Roos. Auf der anderen Seite hatte Wolfgang Funkel sein Auge auf Uwe Harttgen geworfen und Oliver Schäfer auf Bremens Wynton Rufer. Bis zur Halbzeit sahen die 20.000 Zuschauer flüssige Kombinationen, packende Zweikämpfe und knackige Soli. Kurz: Pokalfußball. Und wer mit den Bremern fühlte, der mußte durchaus noch um das gute Gelingen bangen: Zu oft zeigte sich die Bremer Abwehr von ihrer generösen Seite und bot den Pfälzern knackige Gelegenheiten zum Ausgleich. Aber Stefan Kuntz und Co. zierten sich und wollten die kleinen Aufmerksamkeiten nicht annehmen.
Auf der anderen Seite mühte sich Bremen redlich, den Ball vor und in das Tor von Kaiserslauterns Zweittorwart Michael Serr zu bugsieren. In der 62. Minute schickte Uwe Harttgen den Neuseeländer Wynton Rufer in eine hohle Gasse: Doch der Ball konnte nicht ins Tor kommen, weil Kaiserslauterns Oliver Schäfer ein wenig drückte, zog und zerrte. Den fälligen Elfmeter verwandelte Kohn mit seiner besten Leistung des Abends zum 2:0.
Dann passierte nicht mehr viel, außer der Halbfinalauslosung, die Werder dem Zweitligisten Hannover 96 bescherte. Die Fans jedenfalls, rote wie grüne, lagen sich auch nach diesem Spiel wieder in den Armen und trösteten sich. Wenn es nach ihnen geht, dann läuft alles wie im letzten Jahr: Bremen holt den Pott, dafür darf Kaiserslautern Meister werden.
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