Den Haag will Bonn bremsen

■ Die niederländische Regierung fühlt sich von Bonn in der Jugoslawien-Politik unter Druck gesetzt/ Streit um Anerkennung Kroatiens und Sloweniens

Den Haag (dpa/taz) — Als inoffizielles Dokument hat die niederländische EG-Ratspräsidentschaft einen Bericht aus dem Kreis der EG- Beobachter in Zagreb bezeichnet, in dem heftige Kritik an der jugoslawischen Volksarmee geäußert wird. Es handele sich nicht um ein offizielles EG-Papier, hieß es gestern im niederländischen Außenministerium. Der einzige Unterschied zu vorhergegangenen EG-Informationen sei, daß „dieser vertrauliche Bericht an die Presse geriet“, so die Pressesprecherin des Haager Außenministeriums gegenüber der taz. Der amtierende EG-Ratsvorsitzende, der niederländische Außenminister van den Broek, äußerte sich nicht zu dem Bericht aus Belgrad. Darin war die Arbeit der EG-Beobachter als sinnlos bezeichnet und empfohlen worden, notfalls mit militärischen Mitteln in den Bürgerkrieg einzugreifen.

Ungünstiger hätte der Zeitpunkt der „Indiskretion“ für die niederländische Regierung kaum sein können. In vier Tagen will Regierungschef Lubbers das EG-Gipfeltreffen in Maastricht eröffnen, bei dem die wesentlichen Weichen für die politische und wirtschaftliche Zukunft der EG gestellt werden sollen. Ohnehin mangelt es der Zwölfergemeinschaft nicht an Konfliktstoff. In der Jugoslawien-Frage ist sie jedoch vollends gespalten. Während die deutsche und italienische Regierung eine Anerkennung von Slowenien und Kroatien noch in diesem Jahr anstreben, will die niederländische Regierung die bisherige Jugoslawien-Politik der EG fortführen. Die Friedenskonferenz soll weiterlaufen und die Sanktionen gegen Serbien und Montenegro aufrechterhalten bleiben. Im übrigen setzt Lubbers auf die Sondierungsgespräche von UNO-Sonderbotschafter Vance.

Um einen Eklat in Maastricht im letzten Moment zu vermeiden, will die niederländische Regierung versuchen, ein Jugoslawien-Treffen gleich nach dem EG-Gipfel einzuberufen. Ob sich die übrigen EG-Länder auf dieses Angebot einlassen, war gestern noch nicht bekannt.

Wenig Verständnis findet der Bonner Druck auch bei der Opposition in Den Haag. Der Sprecher der linksliberalen Partei D 66, Bob de Ruiter, erklärte gegenüber der taz: „Ein deutscher Alleingang muß unbedingt verhindert werden.“ Eine einseitige Anerkennung von außen würde das Problem nicht lösen, auch wenn Bonn das so suggeriere.

Bundesaußenminister Genscher (FDP) erklärte gestern anläßlich der Herbsttagung der Westeuropäischen Union (WEU) in Paris, die WEU sei bereit, Gemeinschaftsaktionen im Rahmen der EG oder der Vereinten Nationen in Jugoslawien „im Bedarfsfall“ zu unterstützen. Entsprechende Vorkehrungen und Überlegungen hierzu seien „vorläufig abgeschlossen“.