Die Geisel-Akte wird geschlossen

■ Frohe Botschaft von den Entführern: Bis Weihnachten soll die Geisel-Akte geschlossen werden. Ob die beiden Deutschen, die sich vermutlich in den Händen der Hamadi-Familie befinden, das Fest zu Hause...

Die Geisel-Akte wird geschlossen Frohe Botschaft von den Entführern: Bis Weihnachten soll die Geisel-Akte geschlossen werden. Ob die beiden Deutschen, die sich vermutlich in den Händen der Hamadi-Familie befinden, das Fest zu Hause feiern können, ist noch offen. Die letzten Bemühungen hinter den Kulissen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Konjunktur für Entführungen abgelaufen ist.

VON BEATE SEEL

Wir haben den letzten der Festgehaltenen, Terry Anderson, auf freien Fuß gesetzt und die Geisel-Akte vor Weihnachten geschlossen“, hieß es gestern in einer Erklärung der Kidnapper-Gruppe Islamischer Heiliger Krieg. Die Organisation habe beschlossen, ihre Forderung nach einem Austausch des amerikanischen Journalisten gegen „Häftlinge in feindlichen Gefängnissen“ fallenzulassen. Ob damit die arabischen Gefangenen in Israel und dem besetzten Südlibanon oder die beiden in der Bundesrepublik rechtskräftig verurteilten Hamadi-Brüder gemeint sind, blieb offen. Die beiden deutschen Geiseln, Heinrich Strübig und Thomas Kemptner von der privaten Hilfsorganisation ASME-Humanitas, wurden nicht erwähnt.

Die Nachricht über die Freilassung Andersons, des letzten im Libanon festgehaltenen US-Bürgers, löste eine Welle von Gerüchten und Spekulationen über einen Austausch der Hamadi-Brüder gegen die beiden Deutschen aus. In Bonn dementierten gestern der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Hanns Schuhmacher, nachdrücklich geheime Abmachungen zur Freilassung oder Begnadigung der beiden Hamadis. Er verwies auf die rechtsstaatliche Verfassung, die keine Rechtsbeugung durch Erpressung erlaube. Die USA haben in der Vergangenheit insbesondere auf der vollen Bestrafung von Mohammed Ali Hamadi bestanden, der bei der Entführung eines US-Flugzeuges einen amerikanischen Passagier ermordet hatte.

Am Dienstag hatte es unter Berufung auf zuverlässige Kreise in Beirut geheißen, die beiden Deutschen würden freigelassen, nachdem die letzte US-Geisel in ihrer Heimat eingetroffen ist. Diesen Angaben zufolge „akzeptieren die Amerikaner, daß die beiden Deutschen im Rahmen einer globalen Lösung der Frage der Geiseln, Gefangenen und Verschwundenen gegen die Hamadi- Brüder ausgetauscht werden“. Iranische Kreise in Beirut ließen verlauten, der Austausch sei bereits seit Monaten beschlossen. In Bonn kamen gestern Kanzler Kohl, Außenminister Genscher und Justizminister Kinkel zu einem Gespräch über das weitere Schicksal der Geiseln zusammen. Die Bundesregierung habe „volles Vertrauen“, daß die Bemühungen der UNO auch zu einer Freilassung der beiden Deutschen führen werde, hieß es. Genscher will heute den UN-Sonderbeauftragten Giandomenico Picco empfangen.

Strübig und Kemptner waren am 16.5.89, dem Vorabend der Urteilsverkündung gegen die Hamadi-Brüder, entführt worden. Mit ihnen war zunächst auch die 26jährige ASME- Mitarbeiterin Petra Schnitzler verschwunden, die jedoch kurz darauf wieder auftauchte. Bereits zwei Wochen zuvor waren Strübig, Schnitzler und ein weiterer Mitarbeiter, Markus Quint, verschleppt und später wieder freigelassen worden.

Das Verschwinden und Wiederauftauchen von ASME-Mitarbeitern galt auch in Bonner Regierungskreisen als „etwas merkwürdig“, neben einem Zusammenhang mit den Hamadi-Brüdern wurde auch eine Inszenierung nicht ausgeschlossen. Unklar ist auch, warum Strübig nach mindestens fünf Warnungen an ASME und ihn persönlich weiter im Libanon blieb. Das Auswärtige Amt äußerte wiederholt Zweifel an der Zuverlässigkeit der Angaben der Organisation. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen in Berlin, das die Seriosität von Hilfsorganisationen prüft, hat ASME für Spenden, wegen mangelnder Informationen, nicht empfohlen.