Weibliches Machen oder Frauenmacht?

■ Wissenschaftlerinnen stellen Thesen ihres Forschungsprojektes über den rot-grünen Senat vor, der mehrheitlich weiblich war

Wilmersdorf. Gehen Frauen mit der Macht anders um als die Herren der Politik? Gibt es einen weiblichen Führungsstil? Diese Fragen erkunden die TU-Sozialwissenschaftlerinnen Claudia Bernadoni und Elke Heinsen seit etlichen Monaten anhand eines konkreten Beispiels: der weiblichen Mehrheit im rot-grünen Senat zwischen 1989 und 1990. Die Forscherinnen sind just dabei, Plenar- und Ausschußprotokolle zu sichten, Pressereaktionen und Interviews mit rund 80 MitarbeiterInnen der Senatsverwaltungen auszuwerten. Für eine Veranstaltung des »Frauenbundes« vorgestern abend in Wilmersdorf kündigten sie eine erste Zwischenbilanz an.

Auch die damals von der AL gestellte Frauensenatorin Anne Klein und die immer noch im Amt weilende SPD-Sozialsenatorin Ingrid Stahmer harrten im Publikum gespannt der Dinge, die jedoch nicht so recht kommen wollten. Die Veröffentlichungsrichtlinien der »Deutschen Forschungsgesellschaft«, die das Projekt finanziere, seien sehr streng, entschuldigte die TU-Professorin und Projektinitiatorin Barbara Schaeffer-Hegel die beiden vortragenden Sozialwissenschaftlerinnen. Denn zum Unmut so mancher Zuhörerin referierten diese kaum mehr als die Hintergründe zweier exemplarischer Politikfelder: die Abfallpolitik Michaele Schreyers und das von Ingrid Stahmer in ihrer Behörde eingeführte »Verzahnungsmodell«.

Die Konflikte, die die AL-nahe Umweltsenatorin Schreyer mit ihrer Verwaltung auszutragen hatte, deutete Claudia Bernadoni nur an: In den Senatsbehörden gebe es den »Diskurs um den idealen Senator«, bei dem der »gute« Senator der »fachkompetenten« Senatorin gegenübergestellt werde. »Der gute Senator ist ein Generalist und hat Fortune, der fachkompetenten Senatorin fehlt die große Linie.« In den Augen dieser — zumeist männlichen — Verwaltungsbediensteten habe Michaele Schreyer ihre anfängliche Fortune irgendwann verspielt. Die Frage sei jedoch, ob dieses Bild vom »idealen Senator«, also dem wenig an Inhalten interessierten politischen Überflieger, nicht per se im Widerspruch zu der Politik des »Paradigmawechsels« stünde, wie sie Michaele Schreyer bei ihrem Amtsantritt als Anspruch formulierte.

Auch in anderen Untersuchungen sei deutlich geworden, ergänzte Barbara Schaeffer-Hegel, »daß für männliche Politiker eine zu große Verbindung zum Fachressort eher als Handicap erscheint«. Frauen hätten sehr viel stärkere »innere Beziehungen« zu den Inhalten ihrer politischen Arbeit als Männer. Aber sie hätten auch immer noch viel größere Schwierigkeiten, als Chef akzeptiert zu werden, warf eine Verwaltungsangestellte wenig später ein, »für die Herren aus den verschiedenen Abteilungen war es damals schon eine besondere Kränkung, plötzlich eine Chefin zu haben«.

Dabei muß es damals zumindest den Herren aus der Sozial- und Gesundheitsverwaltung mit dem explizit auf Kooperation angelegten »Verzahnungsmodell« der SPD-Senatorin Ingrid Stahmer eigentlich doch ganz gut gegangen sein. Mit der ressortübergreifenden »Verzahnungsgruppe« sei eine neue organisatorische Einheit in der Verwaltung eingeführt worden, führte Elke Heinsen aus. Diese habe eine gewisse Machtaufteilung zwischen politischer Leitung und Exekutive ermöglicht. Überhaupt, ergänzte ihre Forschungskollegin, seien die Senatorinnen »mit ihren Ressorts und ihrer Macht sehr bewußt umgegangen« und hätten, ob erfolgreich oder nicht, »ein sehr reflektives Verhalten« an den Tag gelegt. Das liege aber auch daran, daß Frauen im Gegensatz zu vielen von Leitungsposten zu Leitungsposten springenden Männern zumeist »neu in solche Ämter kommen«. Gibt es also einen weiblichen Führungsstil oder nicht? Die Forscherinnen wichen einer klaren Antwort aus. Ob sich die anwesende Senatorin in den Beschreibungen wiederfinde?, fragte eine Frau aus dem Publikum. Frau Stahmer bejahte: »Die Zielvorstellungen sind sehr genau beschrieben, auch wenn es in der Praxis nicht immer so funktionierte.« Beim Zuhören habe sie sich jedoch gefragt, wann eigentlich das Frauenspezifische komme. Auch ihrer Ex-Kollegin Anne Klein fehlte in den Vorträgen so manches: Eine AL- Senatorin habe es »sowohl in der Verwaltung als auch in der Presse« noch schwerer gehabt als eine von der SPD. Frau Klein erinnerte an die bösen Worte in den Medien und bei den Sozialdemokraten, als Michaele Schreyer im Mai 1989 bei rund 400 Betrieben eine als »Umweltrazzia« titulierte Kontrollaktion durchführen ließ. Auch sie selbst habe sich unter anderem beim Thema Legalisierung von Drogenbesitz für den Eigengebrauch »den dicksten Widerstand« von Verwaltung und SPD eingehandelt. »Macht ist eben nicht gleich Macht«, befand Anne Klein. Ute Scheub