Theater, Kritiker, Preise

Für »herausragende Leistungen« im Theater hat die Berliner Zeitung gestern Preise vergeben. Zweimal Nummer Sicher: Georg Seidels nachgelassenes Stück Villa Jugend, inszeniert von Fritz Marquardt am BE (»Trauerarbeit...Lebenswahrheit / Lebenslüge der untergegangenen DDR«) und Frank Castorfs Ibsen-Inszenierung (John Gabriel Borkmann) in den Kammerspielen des DT (»gesellschaftskritisches politisches Theater«, originelle Begründung übrigens!). Beides Inszenierungen, die auch sonst von aller Welt in höchsten Tönen gelobt werden. Drittens ein Zugeständnis an eine beliebte Schauspielerin und überschätzte Regisseurin, Katharina Thalbach. Ihre nur noch schwach Lessingsche Minna hat durch eine »ironische Brechung tradierter Verhaltensnormen und ästhetischer Spielregeln anregende Bedeutung für eine zeitgemäße Eneignung klassischen Erbes gewonnen« (wir glauben es gern, sind allerdings auch überzeugt davon, daß die Erde eine Scheibe ist). Auch Martin Meltkes dürftige »Was ihr wollt«-Nummer im Maxim—Gorki-Theater mußte prämiert werden, wegen »Selbstverständigung der Zuschauer über die Rolle von Mann und Frau im realen gesellschaftlichen Leben«. Klar: Alle Rollen dieser Inszenierung wurden sinnloserweise von Frauen gespielt. Außerdem für preiswürdig befunden: Ein Projekt der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«, eine Operninszenierung von Harry Kupfer und eine Choreografie von Maurice Bejart. Prämieren Sie die üblichen Prominenten! Und wie hinreißend DDRlich es noch aus den Preisbegründungen tönt! »Klassisches Erbe! Reales gesellschaftliches Leben!« Wir hören es zu und zu gern!