Ein letztes Keuchen am Halleschen Ufer?

■ Friedrich Dürrenmatts »Ein Engel kommt nach Babylon« in der Theatermanufaktur

Das Mädchen Kurrubi wird von einem Engel nach Babylon gebracht; dem »geringsten Menschen« soll sie übergeben werden. Der Gewaltherrscher Nebukadnezar läßt sich, verkleidet, mit dem Bettler Akki auf ein Wettbetteln ein; er verliert dieses Spiel und erscheint so als der »geringste Mensch«. Folglich bekommt er Kurrubi zur Frau; doch er will sie gar nicht und »übergibt« sie Akki. An seiner Seite wird Kurrubi schnell stadtbekannt; das Volk will sie als Königin sehen. Sie wird zu Nebukadnezar gebracht, stellt aber fest, daß sie ihn nur als Bettler, nicht als König liebt. Sie verweigert sich ihm und wird zum Tode verurteilt. Doch hinter der Maske des Henkers steckt Akki: Während Nebukadnezar den Turmbau von Babel plant, fliehen Kurrubi und der »geringste Mensch« Akki ihrem gemeinsamen Schicksal entgegen.

Auf der Bühne der Theatermanufaktur stehen ein paar ockerfarbene Schaumgummiquader (das Bühnenbild der Produktion Der Drache); links davon ein Podest mit Perkussions-Instrumenten (ein Teil des Bühnenbildes von Turandot) und im Hintergrund ein gemalter Horizont, auf dem oben ein undefinierbares Etwas zu sehen ist, unten orientalisch anmutende Hütten. So zeigt sich, daß auch ohne großen Aufwand Bühnenbilder recyclingfähig sind; und das gibt einen grünen Punkt!

Otto Zonschitz (der als Bühnenbildner, vielleicht aus abrechnungstechnischen Gründen, das Pseudonym Osvaldo Zoteno benutzt) läßt den Betrachter im Unklaren, ob er sich in Babylon, der Türkei oder in Nepal befindet.

Die Schauspieler marschieren in bunten, aus allen Zeiten und Stilrichtungen zusammengeflickten Kostümen auf und spielen zum Hohn des Gewerbes: Kaum ein Satz klingt glaubwürdig, die Gesten wirken aufgesetzt, jedes Gefühl geheuchelt. Etwas technischer Firlefanz — ein an Schnüren gezogener, leicht lächerlicher Miniaturdrachen —, beliebiges Geplänkel auf den Gongs und Trommeln und allgemeines schnelles Auftreten und Abgehen der Schauspieler/innen: viel mehr ist es nicht. Komik wird versucht, aber nie erreicht. Die Texte zu den Songs einer türkischen Combo werden gesprochen: entweder traute sich niemand zu singen, oder der Rezensent hat eine subtile künstlerische Absicht überhört.

Ein Stück ist nur so gut wie die Schauspieler/innen, die es spielen; das gilt sogar für ein so komisches und nuanciert geschriebenes Stück wie Dürrenmatts Engel. Selbst Direktor Zonschitz, der neben Regie und Bühnenbild auch noch die Hauptrolle des Bettlers Akki spielt, wirkt zwar routiniert, aber ausufernd monoton und eindimensional. Vom Rest des Ensembles ganz zu schweigen.

Was bleibt, ist das alte Klagelied über die künstlerische Unzulänglichkeit der Theatermanufaktur-Truppe. Man kann nur hoffen, daß möglichst bald mit einer neuen Leitung wieder tragfähige Ideen und Konzepte in das Haus am Halleschen Ufer einziehen. Konkursverwalter, übernehmen Sie! York Reich

Heute, morgen und vom 11.-14.12. jeweils 20 Uhr in der Theatermanufaktur, Hallesches Ufer 32.