DGB-Politik nach Hausfrauenart

■ Die Vorsitzende Christiane Bretz zog nach einem Jahr Amtszeit Bilanz/ Sich am Machbaren orientieren

Berlin. Seit einem Jahr ist Christiane Bretz Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Landesbezirk Berlin. Sie ist die erste Frau, die in Berlin jemals einen Top-Gewerkschaftsposten bekleidet hat, und der Profilierungsdruck war dementsprechend hoch. Zumal ihre Kandidatur von Anfang an umstritten war und es bis heute ein offenes Geheimnis ist, daß einige Einzelgewerkschaften, namentlich die ÖTV, hinter verschlossenen Türen gegen sie intrigieren. Und dies in der schwierigsten politischen Situation, in der der DGB jemals in Berlin stand. Ein Jahr Frauenpower in Berlin war gestern für den DGB Anlaß, bei einem Pressefrühstück Bilanz zu ziehen.

Und deprimierend war, daß diese Bilanz blaß ausfiel. Es ist weder Frau Bretz noch ihren Mitarbeitern im DGB gelungen, im vergangenen Jahr Pflöcke einzuschlagen. Nun wäre es ungerecht, die mangelnde Präsenz des gewerkschaftlichen Dachverbandes bei der Gestaltung von Politik ihr alleine in die Schuhe zu schieben, aber unschuldig an der Konzeptionslosigkeit ist sie nicht. Frau Bretz ist weder ein Schlachtschiff wie die bundesdeutsche ÖTV-Chefin Monika Wulf-Mathies, noch eine Frau, die politische Visionen versucht zu erstreiten. Christiane Bretz ist eine Pragmatikerin und eine Realpolitikerin, die gar nicht erst versucht, gegen Betonwände anzurennen, sondern die nach Hausfrauenart darauf achtet, daß nicht alle Töpfe zugleich anbrennen.

Aber brennen tut es überall. Noch ist nicht entschieden, ob Berlin mehr ein Dienstleistungs- oder Produktionszentrum werden soll, es fehlt ein industrielles Standortkonzept. Der DGB hat auch keines, und die kurz vor dem Mauerfall vom alten DGB- Chef Michael Pagels in Auftrag gegebene Studie »Berlin 2000« wurde unter Frau Bretz nicht fortgeschrieben. Schlimmer noch, die Stelle eines Wirtschaftsreferenten war im DGB monatelang unbesetzt. So entstand die Situation, daß alle 16 Einzelgewerkschaften sich mit branchenspezifischen Studien hervortaten, der DGB aber nicht imstande war, die Analysen in einem Gesamtkonzept zu harmonisieren. Überhaupt, der DGB beschränkte sich unter Frau Bretz' Ägide auf eine Klein- Klein-Devise. Sie hat, wie sie selber einräumte, unfreiwillig Feuerwehrfunktionen übernommen. Hier ein Protest gegen die verkürzten Öffnungszeiten der Kindertagesstätten, dort ein Protest gegen die ausbleibende Verwaltungsreform im Senat. Aber dann räumt sie wieder ein, der DGB sei keine »Gegenregierung« und trage schwer genug daran, daß eine »Strukturreform« im eigenen Haus nicht zustande komme. Aber genau das ist das Problem. Anita Kugler