Bremer SPD-Bezirk will Scherf stürzen

Unzufriedenheit über fehlende „Erneuerung“ an der Regierungsspitze/ Scherf wird von seinem Unterbezirk fallen gelassen  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

Nach allen Regeln der Kunst durchgefallen ist am Mittwoch die sozialdemokratische Regierungsbank der Bremer „Ampel“. Der designierte Finanzsenator Volker Kröning, bisher Justiz, erhielt 67 Nein- und nur 43 Jastimmen; die Kasseler Sozialpolitikerin Irmgard Gaertner erhielt auf ihrer ersten Bremer Parteiversammlung von ihren neuen Genossen 44 Ja- und 65 Neinstimmen, Henning Scherf, zuletzt im Kabinett für Bildung und Wissenschaft zuständig, erhielt in seinem eigenen Unterbezirk (UB) das schlechteste Ergebnis des Abends: 36 Ja-, 78 Neinstimmen. Auch Bürgermeister Wedemeier kam nicht auf die absolute Mehrheit: 52mal nein, 10 Enthaltungen, immerhin 60 Jastimmen.

Derart vernichtend abgestimmt haben die Delegierten des SPD-Unterbezirks Bremen-West, die immerhin 25 Prozent der Landesparteitagsdelegierten stellen. Das Votum ist eine Protestwahl im klassischen Sinne. Eine Strömung will eine große Koalition, wagt das aber nicht zuzugeben, solange Wedemeier nicht gescheitert ist. Die anderen ärgern sich, daß ihr UB-West im Senat so schlecht vertreten sein soll. Zwar hatte die Bremer SPD beschlossen, Qualifikation und nicht allein Proporz der Unterbezirke sollte bei der Regierungsbildung den Ausschlag geben. Der studierte Jurist Kröning, so eine Delegierte, „spricht unsere Sprache nicht“, in den Arbeiterbezirken würde er einfach „nicht ankommen“. Der abgehalfterte Innensenator Peter Sakuth dagegen ist Liebling der Parteibasis. Die Bremer Regierungsbildung war, was die sieben SPD-Senatoren angeht, durch den überraschenden Amtsverzicht des Finanzsenators Claus Grobecker (57) kompliziert geworden. Wedemeier hatte ursprünglich neben der Kasseler Sozialpolitikerin Gaertner auch die Bonner Juristin Elke Leonhard ins Bremer Kabinett holen wollen und war damit auf den erbitterten Widerstand der Bremer Frauen- Kandidatinnen gestoßen. Die sechs männlichen Senatsmitglieder mußten nach dem Quotenbeschluß um drei „Männerplätze“ auf der SPD- Bank der Ampel-Regierung kämpfen. Für „Erneuerung“ fehlte Wedemeier die Kraft. In der langen Nacht der Personalfindung, so plauderte der kommissarische SPD-Landesvorsitzende Horst Isola aus, hatte Wedemeier um 3 Uhr eine Unterbrechung der Sitzung verlangt, von der er nicht zurückgekehrte. Dies war als Rücktrittsdrohung interpretiert worden für den Fall, daß die personellen Vorschläge des Bürgermeistes nicht abgesegnet würden. Bis zum Samstag, wenn ein Landesparteitag die SPD-Kandidaten für die neue Landesregierung endgültig nominieren soll, hat der Bürgermeister Wedemeier Zeit, sich dem Willen der Basis zu beugen, wenn er nicht seine Regierungsbildung gefährden will.