Ungenau-betr.: "Woran Ignoranz erkannt wird" von Abraham Melzer (Debatte) und "Woran Friede gemessen wird" von Heinz Galinski (Dokumentation), taz vom 7.11.91

betr.: „Woran Ignoranz erkannt wird“ von Abraham Melzer (Debatte) und „Woran Friede gemessen wird“ von Heinz Galinski (Dokumentation), taz vom 7.11.91

Mit Verwunderung las ich die „Debatte“ und die „Dokumentation“ [...], mit Verwunderung vor allem über den Verfall der Kritikfähigkeit in Ihrem sich doch wohl als kritisch verstehenden Blatt. Man braucht schon eine gehörige Portion Borniertheit, um einen polemischen Artikel auf ein Argument aufzubauen, das schon die flüchtige Lektüre des Textes, mit dem polemisiert wird, widerlegt. Ich frage mich, was Ihre Redaktion veranlaßt haben mochte, gerade die besagte Stelle in der „Dokumentation“ aus meinem Kommentar für die „Allgemeine jüdische Wochenzeitung“ herauszukürzen.

Der rote Faden in den Ausführungen des Herrn Melzer ist die Behauptung, es sei mir „gelungen..., in einem langen Artikel, der sich mit der Konferenz in Madrid beschäftigt, in keiner einzigen Zeile, nicht einmal mit einem einzigen Wort die Palästinenser zu erwähnen, jene Menschen, die es offensichtlich gar nicht gibt, die wohl eine Erfindung der Antisemiten oder zumindest der Antizionisten sind“.

Nun folgt in meinem Kommentar der von Ihnen abgedruckten Definition eines „guten Friedens“ (der Friede ist nur dann und bis zu dem Maße gut, in dem darin der streitenden Partei, die im aufgezwungenen gewalttätigen Kampf ihr Recht auf Überleben verteidigen mußte, dieses Recht und das fortgesetzte friedliche Leben garantiert wird), für Herrn Melzer unbequemerweise dieser Satz: „Es mag Leute geben, welche die hier angeführte Charakteristik für die palästinensische Seite geltend machen möchten.“ Ich glaube nicht, daß ich mich dafür zu rechtfertigen habe, daß ich als offizieller Vertreter der Juden in Deutschland im Rahmen des Nahost-Konflikts Solidarität —und zwar wie allgemein bekannt ist kritische Solidarität — mit dem jüdischen Staat an den Tag lege. Ich wehre mich aber entschieden dagegen, daß mir unter Verfälschung meiner Worte Einäugigkeit unterstellt wird. Diese Ungenauigkeit zieht sich durch Melzers ganzen Kommentar. Ihre Leser haben besseres verdient.

Die zweite Unterstellung — „ich sei stolz, daß man die Israelis ,Raufbolde‘ nennt“ — mag jeder Leser Ihrer Zeitung beurteilen, der aufmerksamer als Ihr Redakteur die — diesmal abgedruckte — Passage meines Kommmentars liest, wo es folgendermaßen heißt: „Nun, ich würde keine Genugtuung empfinden, selbst wenn dieses neue Klischee gerechtfertigt wäre. Aber es berührt mich schmerzhaft, daß man es — an der Realität vorbei — produziert, um mit umgekehrtem Vorzeichen nach altbwährtem Grundmuster eine Gemeinschaft bloßzustellen, deren einziges Vergehen seit mehr als 2.000 Jahren es ist, unter Wahrung der eigenen kulturellen Eigenart überleben zu wollen.“

Ich nehme Herrn Melzer nicht das Recht, sich in dem Konflikt auf die Seite der Palästinenser zu schlagen, durch die er sich einen besseren Absatz für sein Blatt verspricht, wie die beigefügte Ablichtung seines Schreibens an Herrn Abdalla Frangi belegt. Ich streite ihm allerdings entschieden das Recht ab, mit einer solchen Einstellung für die jüdische Gemeinschaft zu sprechen und meine eigenen Aussagen verstümmelt wiederzugeben. [...] Heinz Galinski, Zentralrat der Juden in Deutschland, Bonn