Jan Olszewski wird Polens neuer Premier

Polen hat wieder einen neuen Premier. Nach langem Zögern hat Staatspräsident Walesa gestern der Ernennung des Kandidaten der Mitte-Rechts-Koalition, Jan Olszewski, zugestimmt. Vorausgegangen war eine Abstimmung die Walesa größere Kompetenzen bringen soll. Mit Olszewski hat Polens Präsident einen Mann zum Premier bestimmt, der in den letzten Monaten mehrfach durch radikale Äußerungen Schlagzeilen gemacht hat. Er gehört der Führung der „Zentrumsvereinigung“ an, die 1989 in Opposition zur damaligen Regierung Mazowiecki entstand und eine Abrechnung mit dem kommunistischen System auf ihre Fahnen schrieb. Kaum war Walesa 1990 zum Präsidenten gewählt worden und Mazowiecki zurückgetreten, da beauftragte der Danziger den Warschauer Anwalt mit der Regierungsbildung. Schon nach kurzer Zeit mußte Olszewski seine Mission aufgeben, er hatte sich mit Walesa nicht über die Zusammensetzung der Regierung einigen können. Die damaligen Auseinandersetzungen waren nun auch der Grund, warum Walesa so lange mit der Ernennung Olszewskis gezögert hatte.

Olszewski, 1930 in Warschau geboren, gehört zu den Oppositionellen der ersten Stunde in Polen. In den vergangenen Monaten hat er sich das Image eines Falken in der Zentrumsvereinigung zugelegt. So vertritt er auch die Forderung, daß kommunistische Funktionäre ab der mittleren Führungsebene für zehn Jahre eines Teils ihrer Bürgerrechte beraubt werden sollen: sie sollen weder im Staatsapparat noch in der Wirtschaft Führungspositionen bekleiden dürfen. Verbrechen der letzten vierzig Jahre sollen aufgearbeitet und gesühnt werden. Das Zentrum verlangt auch ein schärferes Durchgreifen gegen Spekulation und Korruption, einzelne Vertreter traten auch bereits für ein Verbot der aus der PVAP hervorgegangenen Sozialdemokratie ein. Im Wahlkampf äußerte er sich äußerst kritisch gegenüber Deutschland und sprach von einem „großangelegten deutschen Plan zur Wiedergewinnung von Einfluß auf die polnischen Westgebiete“. Klaus Bachmann