Keine Vorboten für einen Aufschwung

Arbeitslosenzahlen sanken im Osten leicht und stiegen im Westen an/ Franke sieht „keine grundlegende Wende“/ Im ehemaligen Grenzgebiet verdrängen Pendler einheimische Beschäftigte  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Im November sind sowohl die Arbeitslosen- als auch die Kurzarbeiterzahlen in der ehemaligen DDR gesunken, während im Westen ein leichter Anstieg zu verzeichnen war. Heinrich Franke, Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, warnte jedoch entschieden davor, aus den aktuellen Zahlen im Osten „Vorboten eines selbsttragenden Aufschwungs“ herauszulesen und die Signale für eine Abschwächung der „ökonomischen Dynamik“ im Westen zu übersehen. „Wer glaubt, die finanziellen Mittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik im Westen beliebig zugunsten anderer Verwendungen kürzen zu können, der sollte die Folgen bedenken“, schrieb Franke denjenigen ins Stammbuch, die in entsprechenden Maßnahmen für den Westarbeitsmarkt nur versteckte Subventionen sehen.

In den fünf neuen Bundesländern ist die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vormonat um 17.800 auf 1,03 Millionen gesunken, die Quote reduzierte sich von 11,9 auf 11,7 Prozent. Auch die Zahl der Kurzarbeiter ging um 96.500 auf 1,1 Millionen zurück. Daraus könne, so Franke, keine „grundlegende Wende“ interpretiert werden, zumal der Arbeitsmarkt im Osten durch Vorruhestands- und Altersübergangsregelungen, durch berufliche Weiterbildungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen um 1,36 Millionen Personen entlastet werden würde. Dieser Effekt sei um 80.000 Personen größer als einen Monat zuvor. Zusammen mit den Kurzarbeitern und der halben Million Pendler ergibt sich ein Gesamtentlastungseffekt von 2,5 Millionen.

„Im Westen gibt es neben Licht auch Schatten“, kommentierte Franke die Zunahme der Arbeitslosenzahl um 19.300 auf 1,62 Millionen (Quote 5,4 Prozent) und den „spürbaren Anstieg“ der Kurzarbeit vor allem im Maschinenbau, der Metallerzeugung und -verformung sowie in der Elektrotechnik. Ende November arbeiteten in den alten Bundesländern 204.000 Personen kurz. Insbesondere die Pendler wirken sich auf den ehemals grenznahen Arbeitsmärkten verdrängend für die einheimische Bevölkerung aus. Trotz Beschäftigungswachstum lag die Arbeitslosigkeit im November zum Beispiel in West-Berlin um zehn Prozent über dem Niveau des Vorjahres, in Coburg und Hof sogar um zwölf Prozent. Truppenabbau und die Rüstungskonversion schlägt sich zum Beispiel in der Pfalz in steigender Arbeitslosigkeit und stagnierender Beschäftigung nieder. In Wilhelmshaven, schon jetzt mit 11,7 Prozent die höchste Arbeitslosenquote in den alten Bundesländern, rechnet Franke bei einer Auflösung der dortigen Marinebasis und dem Aus für einen Großbetrieb mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit.

Nach Berechnungen der Bundesanstalt werden 1992 die Arbeitslosenzahlen in Ost und West steigen. Im Jahresdurchschnitt 1992 erwartet Franke im Westen 1,8 Millionen und im Osten 1,4 Millionen Arbeitslose. Angesichts dieser Zahlen forderte der BA-Präsident die Beibehaltung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in Ost und West und plädierte für eine Verlängerung des Altersübergangsgeldes im Osten.