: Die Herren der Wälder trommeln fürs Geschäft
■ Am Mittwoch ging im japanischen Yokohama die jährliche Konferenz der Waldzerstörer zu Ende. In der Gewalt jener 50 Regierungen läge es, dem hemmungslosen Kahlschlag der Regenwälder Einhalt...
Die Herren der Wälder trommeln fürs Geschäft Am Mittwoch ging im japanischen Yokohama die jährliche Konferenz der Waldzerstörer zu Ende. In der Gewalt jener 50 Regierungen läge es, dem hemmungslosen Kahlschlag der Regenwälder Einhalt zu gebieten. Doch statt Quoten zu verabschieden und Importboykotte zu verhängen, zählt für sie nur das Geschäft.
AUS YOKOHAMA GEORG BLUME
Wer sie anbeten, verfluchen oder beschwören will, braucht nur einmal im Jahr nach Yokohama zu kommen: Dort treten sie jeden Herbst vor aller Öffentlichkeit zusammen, schwatzen und nehmen sich wichtig — die Herren der Regenwälder. Denn sie sind es, die über die Rettung aller Dschungel dieser Welt entscheiden könnten. Doch statt zu entscheiden, halten sie Rat unter dem Dach der „Internationalen Tropenholz-Organisation“ (ITTO). Regierungsdelegationen aus annäherend 50 Ländern, die über die weltweiten Handelslizenzen des kostbaren Naturguts Tropenholz verfügen, bilden den engen abstimmungsberechtigten Kreis innerhalb der ITTO. Handelsunternehmen können als nicht stimmberechtigte Mitglieder beitreten, Umweltschutzorganisationen erhalten auf Wunsch Beobachterstatus. Seit Gründung der ITTO vor fünf Jahren führt der Ratschlag von Yokohama immer wieder zu dem gleichen Ergebnis: Der Regenwald stirbt von Jahr zu Jahr schneller. Denn das unausgesprochene Ziel auch dieses globalen Holzhändlerclubs ist und bleibt das Geschäft.
Eine großartige Kulisse beherrschte bis vorgestern die jährliche Konferenz der Waldzerstörer: An der Waterfront des Hafens von Yokohama, dort, wo täglich Zehntausende Kubikmeter Tropenholz verladen werden, hatte die ITTO im Anbau des Hotels Intercontinental ihr Quartier bezogen. Von ihrem Plenarsaal über den Kaimauern aus läßt sich das Hafengeschehen gut beobachten — was den Delegierten das Gefühl gab, die vorbeiziehenden Holzfrachter selbst zu steuern. Kein Wunder, daß auch der Gesandte des deutschen Wirtschaftsministeriums, Gerhard Schmok, der Organisation ein Loblied sang: „Ein Importboykott für Tropenholz“, stimmt der Beamte das Credo von Yokohama an, „wäre absolut kontraproduktiv. Die Entwicklungsländer würden ja sonst nur Bananen anbauen.“ Nach den sechstägigen Debatten der ITTO, die am Mittwoch wie immer ohne wesentliche Beschlüsse endeten, muß es anmuten, als habe Schmok Sinn und Tenor der Regenwaldgespräche mit seinem Hinweis auf die Bananen unfreiwillig zusammengefaßt; denn statt über Handelsquoten oder gar Ex- oder Importboykotte zu verhandeln — die in Yokohama die eigentlich interessanten Themen gewesen wären —, geht es den Regierungen in der ITTO scheinbar nur um biologische Forschungsprojekte, neue Waldstudien oder allgemeine Forstrichtlinien — kurz: die ITTO könnte auch über Bananen diskutieren, und dem Regenwald würde es nicht schlechter gehen.
Doch spätestens hier würde der Generaldirektor der ITTO, B.C.Y. Freezailah, aufs heftigste widersprechen: „Wir betrachten die Probleme nicht abstrakt“, verteidigt der ranghöchste Holzhändler seinen Job, „sondern sind uns der Verschwendung und Grausamkeit des Lebens in den ruinierten Tropenwäldern voll bewußt.“ Um denn der Grausamkeit Einhalt zu gebieten, hat sich die ITTO vor einem halben Jahr ein hehres Ziel gesteckt: Bis zum Jahr 2000 sollen Tropenhölzer nur dort geschlagen werden, wo Aufforstungsprogramme und andere Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung einen Erhalt von Natur und Mensch gewährleisten — die Fachsprache nennt dies eine „nachhaltige Forstwirtschaft“. Schade nur, daß auch die ITTO nicht weiß, wie diese Forstwirtschaft in den Regenwäldern überhaupt funktionieren soll.
„Jeder redet von Nachhaltigkeit“, schimpft Horst Wagner, der Forstexperte der Weltbank, „aber dafür fehlen ja noch sämtliche wissenschaftlichen Grundlagen.“ Während die Weltbank gerade erst eine Studiengruppe für Möglichkeiten des ökologische Regenwald-Managements eingesetzt hat, verfügen weder die ITTO noch die zuständige UN- Organisation FAO (Nahrung und Landwirtschaft) über eigene Erfahrungen in diesem Bereich. Bislang wird etwa ein 40stel der jährlich vernichteten Regenwaldfläche „nachhaltig“ bewirtschaftet. „Bei der ITTO werden sinnlose Projekte gegen schöngefärbte Politik gehandelt“, befindet der Weltbankbeobachter in Yokohama kühl. „Noch immer verfügt die Forstwirtschaft nicht über professionelle Organisationen auf internationaler Ebene.“
Daß dem so ist, kann kaum an Zufall grenzen. 1987 entstand die ITTO auf japanisches Bestreben hin als Konkurrenzorganisation zur FAO der Vereinten Nationen. Aufgrund ihrer inneren Lähmung durch das Proporzsystem der UN hatte es die FAO nie geschafft, das Regenwaldthema in den Griff zu bekommen. Die ITTO bot Japan deshalb die einmalige Gelegenheit, eine neue internationale Struktur unter eigener Regie aufzubauen. Das Vorhaben gelang. Als weltweit größtes Importland für Tropenholz verfügt Japan heute innerhalb der ITTO über annähernd ein Drittel der Plenarstimmen, deren Zahl pro Land sich nach der Höhe des jeweiligen Export- bzw. Importvolumen für Tropenholz bemißt. Damit wurde eine Organisation geschaffen, in der der mehr mehr Stimmen hat, der mehr handelt — was dem Schutz des Regenwaldes nicht gerade förderlich erscheint.
Doch vor allem Japan und Malaysia, dem seinerseits größten Exporteur von Tropenholz, gefällt das Arrangement in der ITTO. „Diese beiden Länder“, urteilt Chris Elliott, der führende Regenwaldexperte des World Wide Fund for Nature (WWF), „sind heute die Schlüsselmächte im internationalen Geschäft mit dem Regenwald. Doch weder in Kuala Lumpur noch in Tokio gibt es den politischen Willen, mit der Naturzerstörung aufzuhören.“
Japan, das etwas über 35 Prozent des weltweit gehandelten Tropenholzes verschlingt, bezieht davon 90 Prozent aus Malaysia. Die malaysischen Holzabbaugebiete auf Borneo in den Teilstaaten Sarawak und Sabah sind die derzeit größten der Welt. Ohne Rücksicht auf die in den Wäldern lebende Bevölkerung geht dort der Kahlschlag voran. „Falls es nicht sofort drastische Handelsbegrenzungen gibt“, prophezeit Chris Elliott vom WWF, „wird das zweitgrößte Regenwaldgebiet der Erde in zehn Jahren verschwunden sein.“
Weder die ITTO noch die Regierungen in Tokio und Kuala Lumpur leugnen diesen Befund. Doch obwohl nun alle Beteiligten von der Notwendigkeit sprechen, den Handel mit Tropenholz zu reduzieren, geschieht vor Ort das genaue Gegenteil. Delegierte aus Sarawak berichteten in Yokohama, daß die Holzproduktion in Malaysia 1990 auf 18,8 Millionen Kubikmeter stieg — verglichen mit nur 13 Millionen Kubikmeter im Jahr 1988. Die Dunkelziffer liegt dort sogar bei einer Holzproduktion von 25 Millionen Kubikmeter pro Jahr, weil fast ein Drittel aller Holzstämme illegal das Land verläßt. Nicht zuletzt deshalb kann auch das in Yokohama verkündete Vorhaben Sarawaks, die Exporte in den nächsten zwei Jahren um 3 Millionen Kubikmeter zu reduzieren, nur Träumer überzeugen. Noch haben die Herren der Regenwälder keine Methode gefunden, den weltweiten Holzverbrauch auch nur ansatzweise zu verringern — sie wollen es vermutlich auch gar nicht.
Statt dessen verzehren sie ihre Mahlzeiten ganz auf die japanische Art — mit Wegwerfstäbchen aus Tropenholz. Wer darin nicht genug Sinn entdeckt, die Welt weiter abzuforsten, braucht in Yokohama nur aus dem Fenster zu schauen: Die riesigen neuen Betonbauten entlang der Waterfront am Hafen werden selbstverständlich alle mit billigem Schalholz aus den Tropen hochgezogen. Ein Bauarbeiter: „Eine Schaltafel kostet 1.500 Yen (18,60 Mark). Da lohnt sich noch nicht einmal das Saubermachen für den nächsten Bau.“
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