Minister im Kifferparadies

Amsterdam (dpa/taz) — In einem Amsterdamer Coffieshop sitzt ein eher schmächtiger Herr mittleren Alters und prüft das Haschischangebot. Der weiß gekleidete, etwa 25jährige Drogenhändler erklärt Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Cannabisprodukte. Das Gespräch in dem Amsterdamer Lokal wäre nichts Ungewöhnliches, wäre der vermeintliche Kunde nicht der niedersächsische Sozialminister Walter Hiller (SPD).

Hillers Besuch in Coffieshop war Teil einer Informationsreise durch die Niederlande, wo die Drogenpolitik Erfolge vorweisen kann: Seit zwei Jahren stagnieren dort die Zahlen der Abhängigen harter Drogen wie Heroin oder Kokain. Die Zahl der Drogentoten ist sogar gesunken. Die Beschaffungskriminalität ist ebenfalls zurückgegangen. In der Bundesrepublik sieht die Bilanz wesentlich schlechter aus. Bei den Gesprächen, die Hiller und die ihn begleitenden Beamten führen, stellt sich immer wieder heraus, daß die Erfolge der Holländer zu großen Teilen auf einen eigenen Pragmatismus zurückzuführen sind.

Ein Beispiel für die holländische Art, das Drogenproblem mit reinem Nutzendenken anzugehen, sind die Coffieshops. Auch in den Niederlanden ist der Anbau und der Handel mit Cannabis verboten. In den Coffieshops, die allesamt der Polizei bekannt sind, wird der Cannabisverkauf toleriert, solange keine anderen Drogen den Besitzer wechseln. Derselbe Händler, der im Coffieshop dem Minister seine Ware anbietet, wird allerdings festgenommen, wenn er beim Einkauf bei seinem Großhändler erwischt wird. Ähnlich pragmatisch gehen die Niederländer mit der Methadonfrage um. Während hierzulande darüber gestritten wird, ob die Ersatzdroge legal ist und Abhängigen überhaupt hilft, wird sie in Holland schon seit langem verabreicht. Ob den Abhängigen damit wirklich geholfen wird, ist zwar ein wichtiger Gesichtspunkt; ebenso schwer wiegen aber das Eindämmen der Beschaffungskriminalität und die Bewahrung der Gesundheit des Abhängigen, ohne ihn von seiner Sucht zu heilen. „Solange der Drogenkonsum kontrolliert wird und die Risiken für die Gesellschaft abgeschwächt werden, sind wir zufrieden. Abstinenz von illegalen Drogen ist nicht unser Ziel“, erklärt Robert Samson, Direktor für Gesundheitsschutz im Gesundheitsministerium.

Die pragmatische Einstellung der Holländer zum Drogenproblem bringt auch das Denken in wirtschaftlichen Kategorien mit sich. In einer Kosten-Nutzen-Rechnung wurde festgestellt, daß selbst eine teure und lange Therapie billiger ist als ein unbetreuter Abhängiger. Der würde im Endeffekt durch Beschaffungskriminalität, Sozialhilfeleistungen und Krankenhausaufenthalte mehr Geld kosten. Hiller ist vom holländischen Pragmatismus in der Drogenproblematik angetan, glaubt aber nicht, daß sich alles auf Deutschland übertragen läßt. Das System der Coffieshops hält er in der Bundesrepublik für undenkbar: „Die Leute würden dann bei uns Sturm laufen“. Hans-Eduard Busemann/dpa