Kirche und Stasi

■ Ch. Berg: Wanzen im Talar, Mittwoch, 22.10 Uhr, ZDF

Es ist ganz hübsch knifflig, als westdeutscher Journalist ostdeutsche Verstrickungen so darzustellen, daß sie dem Zuschauer auch verständlich werden. Polemik und Zu-Gericht-Sitzen ist auch hier die einfachste und zugleich am wenigsten überzeugende Lösung. Bedauerlicherweise zog sich aber diese dünkelhafte Sicht des Fernsehjournalisten Christian Berg durch die ganze Reportage über Kirche im Spitzelstaat und die fatale Schlußeinstellung, wenn durch filmtechnische Verquickung kirchlicher Segen über die Staatssicherheit ausgegossen wird, ist eine „conclusio“ von unverfroren überheblicher Vereinfachung.

Die evanglische Kirche hat sich eingemischt ins politische und öffentliche Leben der DDR. Sie gehört zu den Betreibern dessen, was heute Wende genannt wird. Sie hat in den Dreck gegriffen und dabei haben sich einige die Finger schmutzig gemacht. Das kommt vor. Ein Pfarrer ist nicht automatisch ein Heiliger. Wenn mit mehr journalistischer Behutsamkeit an die unglückselige Verknüpfung von Kirche und Staat herangegangen worden wäre, wenn die Situation der Pastoren nicht durch harte Schnitte unfair polarisiert, sondern durch kleinliche Recherche erklärt worden wäre, wäre allen in Ost und West wohl mehr gedient gewesen. So bleiben offene Fragen ohne Ende: Welche seelischen Motive trieben Seelsorger in die Arme der Stasi, wie sahen die konkreten Nachteile für Opfer eigentlich aus, wie finden jetzt Gespräche über künftiges Zusammenleben statt? Statt dessen: das übliche. Schneidiger West-Journalist entlarvt feige Ost-Pfarrer, und auch das nicht einmal als erster. Sabine Rückert