Neuer Bildermarkt

Teleforum: Eine Messe für sowjetische Fernsehprogramme  ■ Von Ben Vart

Am 19. August 1991 zeigte die Abendausgabe der sowjetischen Nachrichtensendung Wremja folgenschwere Bilder: Während die Panzer in Moskau an strategischen Punkten einen Herrschaftswechsel manifestieren sollten, waren in der „Staatlichen Allunions Fernseh- und Rundfunkgesellschaft“, kurz: Gosteleradio, in einem nicht einmal 120 Sekunden langen Beitrag die Barrikaden vor dem Moskauer „Weißen Haus“ zu sehen. In den nächsten Stunden strömten Zehntausende zum russischen Regierungssitz, um das Zentrum des Widerstandes gegen die Putschisten zu verteidigen. Für diese kritischen Fernsehbilder mitverantwortlich war der Stellvertreter des damaligen Gosteleradio-Intendanten Krawtschenko, der Generaldirektor Dr. Walentin Lazoutkin.

Lazoutkin war gerade für zwei Tage in Deutschland, um an der Spitze einer hochklassigen sowjetischen Fernsehdelegation das erste im Ausland veranstaltete „Teleforum“ durchzuführen. Diese Messe für sowjetische Fernsehprodukte, die früher in jedem Herbst in Moskau für die in der „Intervision“, dem östlichen Pendant zur „Eurovision“, organisierten Fernsehsender veranstaltet wurde, mußte in den letzten zwei Jahren wegen der allgegenwärtigen Mangelwirtschaft ausfallen. Weshalb man das Angebot der befreundeten Hamburger Fernseh- Produktionsgesellschaft Polyphon aufgriff, das „Teleforum“ in ihren Geschäftsräumen durchzuführen.

97 Produktionen aus den Programm von Gosteleradio, 22 Beiträge des konkurrierenden, russischen Fernsehens sowie sechs Spielfilme des „Kinostudios Belorusfilm“ aus St. Petersburg wurden jetzt über drei Dutzend Fachbesuchern, darunter dem Chef des ZDF-Fernsehspiel Hans Janke und dem 3sat-Koordinator Walter Konrad, gezeigt — selbst aus Dänemark und England waren Fernsehmacher angereist. Beim früheren „Teleforum“ in Moskau sah man weniger Besucher aus dem Westen, die deutschen Besucher konnte man meist an zwei Händen abzählen.

Daß mit der Polyphon ausgerechnet jene deutsche Produktionsfirma die Fernsehmachern aus dem bröckelnden Riesenreich einlud, die mehr durch Schwarzwaldklinik und Harald und Eddie als durch die von ihr ebenfalls hergestellten Kultur- Features bekannt wurde, ist nicht verwunderlich. Denn kaum ein westlicher Fernsehproduzent pflegte in den letzten beiden Jahrzehnten die Kontakte nach Moskau wie Polyphon-Geschäftsführer Friethjof Zeidler, dem diese Kontakte ein persönliches Anliegen sind. Und auch jetzt steckt man wieder in einer Co- Produktion mit den Moskauer Kollegen. Derzeit wird die Filmfassung des berühmten Turgenjew-Romans Rauch gemeinsam hergestellt.