Bush hatte kein ernstes Interesse am Sturz Saddams

■ Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen wird in den USA massive Kritik an der Irak-Politik der Bush-Administration laut/ Der Autor eines Senats-Berichtes zur Situation in Irakisch-Kurdistan faßt gegenüber der taz die wichtigsten Ergebnisse zusammen

Berlin (taz) — Mindestens 700.000 Kurden sind nach Angaben der UNO im Nordirak wieder auf der Flucht. Viele von ihnen dürften sich noch an die Worte des US-Präsidenten George Bush erinnern, der sie im Frühjahr mit viel Pathos zum Aufstand und zum Sturz Saddam Husseins aufrief.

Nur unterstützen wollte er die Rebellen nicht, weil es sich nach Lesart des Weißen Hauses um eine „innerirakische Angelegenheit“ handelte. Im April und Mai dieses Jahres erlebte dann die Welt live am Bildschirm, wie der Aufstand, im Norden gegen die Kurden und im Süden gegen die Schiiten, militärisch niedergeschlagen und zwei Millionen Menschen in die Flucht getrieben wurden. Tausende von ihnen erfroren, verhungerten oder wurden von irakischen Militärs auf dem Weg in die türkisch-irakische und iranisch- irakische Grenzregion getötet. Für viele kam die zögerliche internationale Hilfe in den Flüchtlingslagern zu spät. Die sogenannte „schnelle Eingreiftruppe“, von den Alliierten zum Schutz der Kurden im Nato- Land Türkei stationiert, hat sich bislang weder bei den Bombenangriffen der türkischen Luftwaffe auf angebliche Stellungen türkisch-kurdischer Rebellen der PKK, noch bei den fortgesetzten Attacken der irakischen Armee auf die Kurden im Nordirak von der Stelle gerührt.

In den USA wird unterdessen Kritik an der Irak-Politik der Bush-Administration laut. Daß Saddam Hussein nach wie vor unangefochten an der Macht ist, wollen vor allem die Demokraten bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen gegen den Amtsinhaber George Bush ins Feld führen.

Das Weiße Haus reagierte vor gut einer Woche auf den innenpolitischen Druck mit einer verbalen Drohgebärde und ließ erklären, man werde auch über „aggressivere Vorgehensweisen“ nachdenken, um Saddam Hussein zu stürzen.

In wenigen Tagen nun soll in Washington ein Report über die aktuelle Situation in Irakisch-Kurdistan vorgelegt werden, der im Auftrag des außenpolitischen Ausschusses des Senats erstellt wurde. Der Autor, Peter Galbraith, ist führender Mitarbeiter des Ausschußvorsitzenden, Senator Claiborne Pell.

Bereits im Mai 1991 hatte Galbraith in einem Senatsbericht massive Vorwürfe an die US-Administration gerichtet. So sollen sich Anfang März 1991, als sich der Aufstand der kurdischen und schiitischen Bevölkerung auf dem Höhepunkt befand, hohe irakische Militärs an die Oppositionsgruppen im Ausland gewandt und ihre Kooperation zum Sturz Saddam Husseins angeboten haben. Als Bedingung hätten die Militärs jedoch ein „Signal“ verlangt, daß die irakischen Oppositionsgruppen die Unterstützung Washingtons genießen. Dieses Signal blieb aus. Die Militärs brachen die Kontakte wieder ab.

Das US-Außenministerium, so Galbraith, habe mehrere Gelegenheiten verpaßt, mit der irakischen Opposition ins Gespräch zu kommen. „Die öffentliche Brüskierung kurdischer und anderer irakischer Oppositioneller“, erklärte Galbraith im Mai, „wurde als eindeutiges Zeichen gewertet, daß die Vereinigten Staaten einen Erfolg des Aufstands nicht wollten.“

Der Bericht wurde seinerzeit vom Weißen Haus weder dementiert noch bestätigt. Pressesprecher Marlin Fitzwater erklärte lediglich, wer immer in den Reihen des irakischen Militärs die Seiten wechseln wolle, sei „selbstverständlich willkommen, das zu tun.“

In einem Gespräch mit der taz über seinen neuen Report faßt Galbraith seine wichtigsten Ergebnisse und Forderungen an die Bush-Administration zusammen. Andrea Böhm