Spahlinger Zwei: Mikrotöne, Fragmente

■ Das Arditti-Quartett mit Spahlinger, Terzakis u.a.

Rumpelt die Straßenbahn, oder hat das Cello schon angefangen? Die Musiker des Londoner Arditti-Quartetts keuchen, kratzen mit ihren Bögen über die Saiten, zupfen hinter dem Steg. Wohlklänge kommen in Mathias Spahlingers Komposition „Apo Do“ (“Von hier“) nicht vor. Die aneinandergereihten Fragmente spiegeln das alltägliche Entsetzen in dem von den Deutschen besetzten Griechenland wider — analog zu dem 1942 entstandenem Gedicht „Das letzte Jahrhundert vor dem Menschen“ von Jannis Ritsos.

Schon am Freitag abend erläuterte der Komponist in der Galerie Rabus seine Arbeitsweise. Er durchbricht immer wieder die traditionellen Wahrnehmungsmuster: „Nur was vor die Frage stellt, ob es Musik ist, ist noch Musik.“ In dieser grundsätzlichen Offenheit für Klänge und Geräusche muß die Straßenbahn nicht Störfaktor, sondern kann Bereicherung sein. Spahlingers sorgfältig durchdachte Konzepte sind nicht ohne weiteres erhörbar — und das ist gut so, denn den Blick auf das, was wirklich klingt, ermöglichen nicht neue Kategorien, sondern keine. Er fordert von seinen HörerInnen ein konzentriertes Sicheinlassen, ungeschützt von Vertrautem wie Form, Zeitstruktur, Wohlklang.

Eingerahmt zwischen den modernen Klassikern Anton Webern und Alexander von Zemlinsky stand am Samstag abend noch ein weiteres Stück aktueller Musik auf dem Programm: die Uraufführung des 4. Streichquartettes von Dimitri Terzakis. Anders als Spahlinger komponiert Terzakis nachvollziehbare Melodien, wurzelnd in den Musikkulturen des östlichen Mittelmeerraumes. Er benutzt Töne, die z.T. etwas neben den gewohnten liegen; winzige Tonschritte — Mikrotöne - sind in seinen Motiven maßgeblich. Das Fließen der melodischen Linien, dicht zusammen, korrespondierend oder auch nicht, ergab ein intensives Klangerlebnis. Allein schon die Umsetzung dieser Notation durch die auf Normtöne getrimmten Streicherfinger war eine Meisterleistung der Musiker.

Spahlingers Dekompositionen und Terzakis' Arbeit mit fremden Konventionen: das Arditti-Quartett machte beide Fragen nach der musikalischen Wirklichkeit hervorragend hörbar. Wilfried Wiemer