Unchristlicher Parkplatzstreit in der stillen Zeit

■ Die weihnachtliche Vorfreude kam im Konsumgetümmel am Ku'damm völlig abhanden/ Zwischen Fischbrötchen, Tropenfeuer-Tee, Leuchtstirnbändern, zitternden Lamas und blöd nickenden Plüschpandas blieb kaum ein Fußbreit Raum

Berlin. Der zweite verkaufsoffene Samstag vor Weihnachten stand wieder ganz im Zeichen von heimeliger Hektik und adventlicher Aggressivität. Obwohl seit Tagen zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aufgerufen wurde, gab es wieder genug Fahrer, die ihr Auto auch dann nicht zu Hause ließen, um einen großen Teil des Samstags damit zu verbringen, sich wegen eines Parkplatzes zu streiten.

In der Meinekestraße, einem besonders begehrten Parkplatz nahe dem zur Fußgängerzone mutierten Ku'damm, fanden wahre Überlebenskämpfe statt. Die Fahrerin eines braunen Mini hatte noch nicht einmal den Rückwärtsgang eingelegt, da saßen die Fahrer einer rote Ente, eines blauen Fiat und eines weißen VW schon verbissen in den Startlöchern. Kaum fuhr der Mini zurück, heulten die drei Motoren der Wartenden gleichzeitig auf. Die Beifahrerin des blauen Fiat stieg blitzschnell aus dem Wagen, um sich breitbeinig, mit verschränkten Armen und einem Gesichtsausdruck, der wenig Weihnachtsvorfreude erkennen ließ, in die Parklücke zu stellen. Der Fahrer der roten Ente war sich noch etwas unschlüssig darüber, ob er die zierliche Frau sofort auf die Kühlerhaube nehmen oder erst einmal verbal sein Recht durchsetzen sollte. Während der 2CV-Fahrer und die Beifahrerin des Fiat kurz davor waren, sich vor dem neueröffneten FNAC die Köpfe einzuschlagen (obwohl der Slogan von FNAC lautet: Kultur und Konsum mit Kopf), fuhr die clevere Fahrerin des weißen VW in die Parklücke. Wenn sich zwei streiten, freut sich die dritte.

Die Avnet-Wandzeitung an der Joachimsthaler Straße verkündete derweil in großen Lettern, daß es »1991 keine Ausgangssperre mehr wegen des Ozonlochs geben« werde. Eigentlich beruhigend für die Bescherungswütigen, doch sie hechelten den Ku'damm entlang, als ob sie vor dem großen Knall noch schnell ein Schnäppchen tätigen wollten.

Eine schwarze Menschenmenge schob sich den Tauentzien entlang, zu ihren Füßen Panda-Babys, kleine Weihnachtsmänner und Watschelenten, die, senil mit den Köpfen wackelnd, um die Gunst der Käufer warben. Sie fanden genausowenig Beachtung wie die unverwüstlichen Samtmützen, das in der Kälte zitternde Zirkuslama und die Dame von der Heilsarmee, die mit dem Lied Oh du fröhliche, oh du selige... vergeblich an die Geldbeutel der vorbeihastenden Passanten appellierte.

Auf dem Weihnachtsmarkt rund um die Gedächtniskirche steckten auch diejenigen, die ihr Auto zu Hause gelassen hatten, im dicksten Stau. Nichts ging mehr. Schicksalsergeben und rechts vor links beachtend, schoben sich die genervten Familien vorbei an Zarenpunsch, Tropenfeuer-Tee und angestaubten weihnachtlichen Klängen von Boney M. Eine siebzigjährige Oma erfragte verzweifelt den Weg zum Fischstand. Stumm und taub gingen die Leute an ihr vorbei. Eine gestreßte Mutter kaufte ihrem Sprößling ein leuchtendes Stirnband, um ihn nicht im Gedränge zu verlieren. Doch der nahm das prompt zum Anlaß, sich tatsächlich auf und davon zu machen. Wenige Minuten später sah man auf dem grünen Mittelstreifen ein leuchtendes Bändchen blitzen.

Vielleicht wäre die Suche für die Mutter leichter, wenn »nur die Menschen auf der Straße laufen würden, die auch was kaufen wollen«. Das schlug meckernd eine elegante ältere Dame vor, die sich mit einem halben Dutzend prall gefüllter Plastiktüten den Weg durch die Massen bahnte. wahn