Jugoslawiens viele Fronten

■ Die Zerstörung Dubrovniks verdeutlicht die Schwierigkeiten der UNO-Friedensmission

Jugoslawiens viele Fronten Die Zerstörung Dubrovniks verdeutlicht die Schwierigkeiten der UNO-Friedensmission

Was die kroatische Propaganda oft behauptet hat, ist nun tatsächlich eingetreten: Die historische Altstadt von Dubrovnik, die von der UNO zum Weltkulturdenkmal erklärte „Perle der Adria“, ist weitgehend zerstört. Die jugoslawische Armee vernichtete bei ihrem gnadenlosen Bombardement unwiederbringliche Kulturwerte, tötete dabei mindestens 19 Menschen und — entschuldigte sich einen Tag später. Doch wäre es voreilig, hierin nur ein weiteres Zeichen eines grenzenlosen Zynismus jugoslawischer Generäle zu sehen. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß Verteidigungsminister Kadijević den Angriff weder befohlen noch gewollt hat. Einiges spricht dafür, daß die Armeeverbände, die von Montenegro her bis wenige Kilometer vor die mittelalterlichen Mauern Dubrovniks vorgerückt sind, vom Oberkommando in Belgrad so wenig kontrolliert werden wie die serbischen Freischärler aus dem Süden Herzegowinas, die seit Monaten die Vororte der Stadt beschießen. Das exkulpiert die Armeeführung, die ja die 76tägige Blockade Dubrovniks mit all ihren schrecklichen Folgen zu verantworten hat und selbständig operierenden Truppen nicht offensiv entgegengetreten ist, selbstverständlich nicht. Doch ist diese Differenzierung wichtig, wenn man die Chancen einer Befriedung des Landes ausloten will.

Seit einer Woche schon jettet nun der UNO-Sonderbeauftragte Cyrus Vance zwischen den jugoslawischen Hauptstädten hin und her, um die Probleme einer Stationierung von Blauhelmen zu eruieren. Ein Kompromiß zwischen Belgrad, das die UN-Truppen an der Front, also innerhalb Kroatiens, sehen möchte, und Kroatien, das sie an den Grenzen zwischen den Republiken stationieren will, scheint schwierig, aber nicht ausgeschlossen. Die Blauhelme könnten zum Beispiel sowohl an der Front wie an der Grenze zum Einsatz kommen und zudem in Ostslawonien, der Banija und der Krajina die serbische Minderheit in Kroatien schützen. Das viel schwierigere Problem stellen die Freischärler auf beiden Seiten wie auch Armeeteile in Montenegro und Bosnien dar, die sich dem Kommando des Verteidigungsministers vermutlich entzogen haben. Die serbischen Milizen der Krajina, die Cetniks und die politische Führung der Serben Bosnien-Herzegowinas, die sowohl bei den Hardlinern im Generalstab wie im Geheimdienst Protektion genießen, haben bereits angekündigt, gegen Blauhelme bewaffnet vorgehen zu wollen. Die rechtsextreme kroatische HOS-Truppe könnte durchaus imstande sein, einen weiteren Waffenstillstand zu torpedieren und durch gezielte Provokationen den Krieg nach Bosnien-Herzegowina hineinzutragen. Ohne Waffenstillstand aber würde jede Friedenstruppe zwangsläufig zur Kriegstruppe. Selbst wenn sich die Zauberlehrlinge in Belgrad und Zagreb auf einen Kompromiß einigen sollten, droht der Emissär aus New York an den Geistern, die sie gerufen und die sich bewaffnet haben, zu scheitern. Thomas Schmid