Frauenprojekte zwischen Anpassung und Widerstand

■ Rund 150 Frauen diskutierten am Wochenende über 20 Jahre bundesdeutscher Frauenprojektebewegung

Mitte. Sind sie nun »20 Jahre und kein bißchen weiser«? Oder, wie eine Teilnehmerin als Mottoabwandlung vorschlug, kein bißchen leiser? Zwei Tage lang diskutierten etwa 150 Frauen Perspektiven und Bilanz der bundesdeutschen Frauenprojektebewegung im Haus am Köllnischen Park. Umfangreicher hätte das Kongreß-Programm wohl kaum ausfallen können: Wie ist das Verhältnis von Ost zu West, von weißen Deutschen zu Immigrantinnen, von Lesben zu Heteras, von Politikerinnen zu Projektefrauen? Wie sind die Strukturen, wo behindert man sich gegenseitig?

Aus der ganzen Bundesrepublik waren Frauen angereist, unter ihnen zahlreiche Gründerinnen der ersten Frauenprojekte. Über die Utopien der Bewegung und darüber, wie alles anfing, diskutierten am Freitag abend fünf von ihnen auf dem Podium. »Mit selbstgemalten Schildern wollten wir die Welt verändern, daß man aus Emanzipation auch Efrauzipation machen kann, war für uns eine ganz tolle Entdeckung« erinnerte sich Heidi Burmeister (FrauenAnstiftung) an alte Hamburger Weiberratszeiten. Gudrun Krieger, Mitbegründerin der Frankfurter Frauenbetriebe, hat sich eigentlich immer geärgert, »daß ich meine drei Söhne im Alter von drei bis sieben Jahren nicht mit auf Frauendemos nehmen durfte.« All das erscheine ihr heute unwirklich, sagte Heidi Burmeister. »Sind wir heute angepaßter, waren wir damals widerspenstiger?«

Mit den Projekten sollte Mitte der 70er Jahre der Frauenbewegung eine logistische und kontinuierliche Basis geschaffen werden. Statt nur »Nieder mit dem System« zu rufen, wollte man eine Gegenkultur aufbauen. Inzwischen hat sich die »Gratwanderung der Frauen zwischen Selbstausbeutung und ökonomischer Existenzsicherung« etabliert. 120 Frauenprojekte gibt es alleine im Westteil Berlins, weitere 30 sind es inzwischen im Ostteil. Zahlreiche Projektefrauen sind Dauergäste auf Expertenveranstaltungen zu den unterschiedlichsten Themen.

Für viele der Frauen haben sich Utopien verwirklicht, Erfolge eingestellt. Dennoch ist oft von einer Krise die Rede. »Es gibt keinen Konsens mehr über die Radikalität des Anspruchs, über feministische Ideen«, stellte auch Sigrid Betzelt vom Arbeitskreis Autonomer Frauenprojekte fest. Gerade im Ostteil ist der Ansatz oft pragmatischer als im Westteil. »Es ist egal, ob eine Frau Feministin ist oder nicht, zunächst einmal ist sie arbeitslos« stellte Steffi Schild vom Frauenzentrum »Frieda« nüchtern für ihre Fredrichshainer Klientel fest.

Auch viele Immigrantinnen haben andere Sorgen als weiße deutsche Frauen. »Ich weiß nicht, ob wir es jemals schaffen werden, diese Internationalität, von der wir immer so viel reden, auch zustandezubringen« fragte Mira Renka vom jugoslawischen Frauenbuchladen in Neukölln. »Wir lösen uns langsam — und leider auch oft im Streit — von den deutschen Frauenprojekten.« Auch Lucia Zeller von »Nozizwe« (Projekt für feministische multikulturelle Bildungsarbeit, Berlin) findet sich in dem Weg »der weißen deutschen Frauen, sich zu befreien«, oft nicht wieder. »Für uns spielen auch andere Dinge eine Rolle: Rassismus, Unterdrückung, Kolonialismus.«

Diskutiert wurden am Wochenende in verschiedenen Foren neue Wege: Irene Reifenhäuser, Organisationsberaterin, stellte Modelle vor, Strukturen neu zu beleuchten und zu hinterfragen. »Es gibt auch viel Konkurrenz, Machtkämpfe und Mißgunst«, sagte auch Sigrid Betzelt. Außerdem sei das ewige Ringen um Zuwendungen derart zeitaufwendig, daß außer der Sozialarbeit kaum noch Raum für politische Aktivitäten bleibe.

Neue Finanzierungsmodelle sollen hier Abhilfe schaffen. »Sponsoring« und »Fund Raising« nach US- amerikanischem Vorbild stellte Marita Haibach, Grüne Landtagsabgeordnete in Hessen, vor: In den USA finanzieren sich Frauenprojekte nicht über Zuwendungen, sondern über Stiftungen und Sponsoren.

Uneinig waren die Teilnehmerinnen am Sonntag bei der Diskussion über die gesellschaftliche Brisanz und die Suche nach dem Glück in den Frauenprojekten. Ein Projekt sei nicht der richtige Ort für die Suche nach dem Glück, fand Dörte Jung vom Frankfurter Büro für frauenpolitische Forschung und Beratung«. Für Anita Heliger von KOFRA, München, sind die Projekte allerdings »inzwischen sowas wie ein Zuhause«. Von einer »politischen Daueridentitätskrise der Frauenprojekte« sprach Dörte Jung. »Es wird immer mehr über die Binnenstruktur diskutiert als über die Inhalte.« Ausgelöst durch einen ursprünglich anti- institutionellen Impuls, hätten sie inzwischen einen Institutionalisierungsprozeß durchlaufen.

In jedem Fall sei es an der Zeit, konstruktive Selbstkritik zu üben, war frau sich einig. Dafür sprach auch die Zusammensetzung der Teilnehmerinnen. Manch eine hätte sich mehr als 150 und mehr jüngere Teilnehmerinnen gewünscht. Auch wenn in zwei Tagen weder Bilanz gezogen noch Perspektiven entworfen werden konnten, wertete Renate Rieger (FrauenAnstiftung) den Kongreß als Erfolg. Als erster seiner Art soll er fortgesetzt und zum regelmäßigen Forum werden. Jeannette Goddar