INTERVIEW: Gegen Dummheit gefeit
■ Innenstaatssekretär Armin Jäger (CDU) zur Beobachtung der Skinheads durch den Verfassungsschutz
taz: Der Verfassungschutz unterscheidet zwischen gewalttätigen und rechtsextremistischen Skinheads. Warum sollen nur letztere vom Verfassungsschutz beobachtet werden?
Armin Jäger: Das ist eine schwierige Grenzziehung. Wenn Gewalttäter sich zusammentun, um ein politisches Ziel zu erreichen, etwa um die Verfassung zu bedrohen oder um die im Grundgesetz festgeschriebene Toleranz gegenüber Menschen jeder Hautfarbe als politisches Ziel zu bekämpfen, würde ich dies als Rechtsextremismus bezeichnen. Damit wäre dies auch Beoachtungsgegenstand des Verfassungschutzes.
Fallen da auch die Skinheads darunter, die dumpf rassistisch auftreten?
Nein. Gegen Dummheit ist unsere Verfassung, so hoffe ich, gefeit. Was die Verfassung gefährdet, sind die politischen Zusammenschlüsse, die die demokratische Grundordnung außer Kraft setzen wollen.
Bei den autonomen Gruppen aus dem linken politischen Spektrum sind die Kritierien des Verfassungsschutzes für eine Beobachtung viel weiter gefaßt.
Es trifft nicht zu, daß bei den gewaltorientierten linksgerichteten Gruppen von vornherein eine Verfassungungswidrigkeit angenommen wird. Auch beim Linksextremismus wird unterschieden, ob Vereinigungen oder Gruppen gebildet werden, die die Verfassung mit gewaltbetonten Mitteln verändern wollen. Dies wird in der Programmatik einiger Gruppen sehr deutlich, etwa in der Ausdrucksweise, den »Schweinestaat« abschaffen zu wollen. Das ist eindeutig eine politische Veränderung. Bei den Skinheads drängt sich demgegenüber der Eindruck auf, daß sie aus Dummheit irgendwelche Parolen nachplappern, die sie gar nicht verstehen.
Daß der Autonome, der sich gegen den »Schweinestaat« wendet, beobachtet wird, und der Skinhead, der »Ausländer raus« fordert, nicht, bestätigt doch einmal wieder, daß der Verfassungschutz auf dem rechten Auge blind ist.
Wenn der Skinhead »Ausländer raus« fordert, ist dies eine Aufforderung zur Gewalttat, die strafrechtlich zu verfolgen ist. Das ist keine Einäugigkeit nach rechts oder links. Vielmehr ist die Art unterschiedlich, wie beide Gruppierungen nach rechts oder links agieren. Der Linksextremismus ist viel stärker organisiert, während wir es bei den Skinheads in Berlin im wesentlichen mit kleinen Gruppen zu tun haben, die Gott sei Dank noch nicht in eine rechtsextreme Organisation eingebunden sind. Aber gerade weil wir hier vorbauen wollen, prüfen wir zur Zeit sogar mit nachrichtendienstlichen Mitteln, wie die Skinheads einzuordnen sind. Wenn sich zeigt, daß sie sich für extreme Ziele instrumentalisieren lassen, muß beobachtet werden. Wir haben auch schon Anhaltspunkte dafür, daß versucht wird, aus der Unzufriedenheit der jungen Leute mit dem Arbeitsmarkt Kapital zu schöpfen, um sie für rechtsextreme Ziele nutzbar zu machen. Interview: plu
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