»Die spinnen, die Bonner«

■ Zwei Bonner Unionsleute schlugen laut 'BZ‘ vor, die Berliner Kneipen um ein Uhr nachts zu schließen

Berlin/Bonn. Haben sie vielleicht vor einiger Zeit in der Bonner Kneipe mit dem programmatischen Titel »Provinz« zusammengestanden, die Herren Günter Klein (CDU) und Gerhard Friedrich (CSU)? Ist den beiden Bundestagsabgeordneten aus Bremen respektive Erlangen bei einem schäumenden Bier die Idee gekommen, wie sie die seit der Entscheidung für den Regierungssitz Berlin zukunftslos vor sich hinweinenden Bonner Gastronomen rächen könnten? Nämlich indem sie gleiche Rechte für alle einfordern, jawoll! Wenn die »Provinz« um ein Uhr nachts schließen muß, dann gefälligst auch ganz Berlin.

Außerdem, formulierte der Innenexperte und frühere Wehrdisziplinaranwalt der Vierten Luftwaffendivision Günter Klein einem 'BZ‘-Journalisten auf den Notizblock, sei eine solche Sperrstunde in der Hauptstadt »ein brauchbares Instrument, um Verbrechensnester unter Kontrolle zu halten.« Jetzt lachen hier alle Hähne. »Niemand kann erwarten, daß dadurch die Kriminalitätsrate sinkt. Ein Mann, der bislang bis drei Uhr in der Kneipe sitzt und jetzt um eins rausfliegen soll, wird deswegen keinen Raubüberfall machen«, kichert ein Sprecher der Berliner Polizei. »Warum dann nicht gleich ein Ausgehverbot?«, juxt Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD). »Eine Quatsch-Idee«, sekundiert der Berliner CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky. »Ein Karnevalsgag«, kommentiert der Berliner CDU- Bundestagsabgeordnete Jochen Feilcke. »Darüber hab ich herzlich lachen müssen, schon um sechs Uhr morgens«, gesteht die Telefondame der Gewerkschaft Nahrung- Genuß-Gaststätten. »Eine Provinzposse«, befindet Hans-Joachim Schubert, Sprecher der DAG. »Die spinnen doch, die Bonner«, erklärt Selli Sellmann aus der Schöneberger Kneipe »Strada« und rechnet »ganz grob und ohne jede Gewähr« die Umsatzverluste für die Stadt vor: Wenn etwa 1.000 der rund 6.500 Berliner Kneipen länger als ein Uhr offen hätten und, vorsichtig gerechnet, einen Umsatz von 500 Mark pro Nacht machen würden, schlage das mit immerhin 180 Millionen im Jahr zu Buche.

Doch noch schlimmer als der Steuerverlust wäre die Rufschädigung für die »einzige deutsche Weltstadt«, glaubt der Berliner Wirtschaftssenator und verweist auf den seit 1949 bestehenden Slogan »Berlin ist durchgängig geöffnet«.

Also alles lächerlich? Das finden inzwischen auch die beiden Verursacher der ganzen Aufregung, die Abgeordneten Gerhard Friedrich und Günter Klein. Die Idee sei keineswegs am »Provinz«- Tresen entstanden, sondern offenbar in der 'BZ‘-Redaktion. Ein Reporter der 'BZ‘ habe sie am Sonntag nachmittag angerufen, womöglich, weil der Zeitung »noch eine Geschichte fehlte«, so Friedrich. Beide hätten sie zwar die Sperrstunde als »ordnungspolitisches Instrument nicht grundsätzlich ausschließen« wollen, aber darauf verwiesen, daß das Sache der örtlichen Polizei sei. Im Angesicht der 'BZ‘- Schlagzeile »Jetzt wollen Berlin- Gegner die Sperrstunde für die Hauptstadt« hätten sie herzlich lachen müssen: Sie beide hätten für Berlin votiert. Ute Scheub