Feiertagsweltmeister Spanien

Madrid (taz) — Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, anzunehmen, der Lieblingssport der Spanier sei der Stierkampf oder der Fußball.

Zwar gehört Spanien zu den Ländern, in denen der Fußball eine nationale Leidenschaft ist, und der bekannteste Journalist, Jose Maria Garcia, ist just ein Fußballberichterstatter. Auch der Stierkampf erfreut sich großer und ständig wachsender Beliebtheit, und zu verhindern, daß er verboten wird, war einer der Aufträge, die Regierungschef Felipe Gonzalez mit zur EG-Gipfelkonferenz nach Maastricht nahm. Doch trotz der Skandale um Schuster und trotz der Erfolge des Toreros Espartaco — viel mehr Begeisterung als für Tore und aufgespießte Stierkämpfer bringen die Spanier für eine andere sportliche Betätigung auf: das Puentear, zu deutsch Brückenschlagen. Puentear ist die Kunst, zwischen Feiertagen und Wochenenden über die dazwischenliegenden Arbeitstage hinweg Brücken zu schlagen. Das heißt, wenn am Donnerstag der Tag der Jungfrau del Pilar ist (Feiertag also), dann wird der Freitag als Arbeitstag schlicht ignoriert. Mittwochabend wälzen sich dann Millionen Autos in langen Schlangen aus den Städten, um wie Lemminge die Heimatdörfer aufzusuchen, und am Sonntagabend wälzen sich die Autos wieder massiert stadtwärts. Die Anzahl katholischer Feiertage zugunsten von Heiligen vermischt mit modernen Feiertagen wie etwa dem frankistischen „Tag der Nation“ verschaffen durch das Puentear eine Unzahl zusätzlicher Kurzferien im Jahr und halten die Bevölkerung bei Laune. Das Überspringen eines einzigen Arbeitstages ist jedoch nur die Grundübung in der Kunst des Brückenschlagens, bei der die Italiener sicher mühelos mithalten können. Auf der iberischen Halbinsel ist der Sport hingegen weiter ausgearbeitet und verfeinert worden. So gibt es halbe Brücken, die schon am Mittag des vor der eigentlichen Brücke liegenden Arbeitstages einsetzen und die Doppelbrücken, die sich über zwei Arbeitstage hinstrecken. Diese Brückenarten werden freilich nicht von allen Arbeitnehmern beherrscht. Ein besonderes Kunststück, das dennoch zum Grundrepertoire jedes Arbeitnehmers gehört, ist die Freischwingerbrücke, von der wir gerade ein schönes Exemplar hinter uns gebracht haben. Sie begann in diesem Fall am vergangenen Freitag, dem Tag der Verfassung, und erstreckte sich theoretisch bis zum Sonntag. Der Sonntag, 8. Dezember, ist jedoch gleichzeitig der Tag der „Unbefleckten Empfängnis Marias“, der von den Sozialisten vor einigen Jahren zum Feiertag erklärt wurde. Dieser ungerechte Verlust eines arbeitsfreien Tags nur aufgrund der Widrigkeiten des Kalenders wurde nun dadurch ausgeglichen, daß statt dessen der gestrige Montag ohne weitere Begründungen auch nicht gearbeitet wurde — gewissermaßen das freischwingende Ende der Wochenendbrücke. Wenn die Spanier im Organisieren auch nur halb so fit wären wie im Puentear, hätten sie diese Sportart schon längst als Disziplin für die Olympiade vorgeschlagen: Zumindest hierin wäre ihnen die Goldmedaille sicher. Antje Bauer