SONNTAGS NIE Von Mathias Bröckers

Den 50. Jahrestag des japanischen Angriffs auf Pearl Harbour am 7. Dezember zelebriert das amerikanische Fernsehen mit einer „Pearl Harbour Week“, moderiert vom neuen Superhelden der Nation, General Norman Schwarzkopf. Im Rahmen dieser Erinnerungswoche an den „Day of Infamy“ wird erstmals auch ein Dokumentarfilm des Regisseurs John Ford gezeigt, der während des Weltkriegs entstand und prompt verboten wurde: Uncle Sam als zufriedener Urlauber, der sich auf der Hawaii-Insel Oahu die Sonne auf den Bauch scheinen läßt — dieses Bild des Navy-Stützpunkts Pearl Harbour ist auch noch heute für viele Amerikaner eine Zumutung. Und doch ist es genau so gewesen: Es war Sonntag morgen kurz vor acht, nahezu die gesamte Flotte lag im Hafen, auf dem Schlachtschiff „Arizona“ hatte am Abend zuvor ein Nachtkonzert stattgefunden, die Crew schlief aus. Von den sechs Radargeräten des Stützpunkts war wegen des Wochenendes nur eines in Betrieb, zu Übungszwecken. Ein wachsamer Operator hatte dem Wachoffizier anfliegende Maschinen gemeldet, doch der hatte die Meldung ignoriert: Er hielt sie für eigene B-17-Bomber aus Kalifornien. Doch schon einige Stunden vorher hätte es Grund zur Beunruhigung gegeben — der Geheimdienst in Washington hatte Funksignale aus Tokio an die japanische Botschaft decodiert: die Order, sämtliche diplomatischen Beziehungen zur US-Regierung abzubrechen. Doch weil der zuständige General sich auf einem Ausritt befand und ein Angestellter dieses Alarmsignal in einem Umschlag zur normalen Post gab, erreichte es Pearl Harbour erst Stunden nach dem Angriff. Der Wochenend-Betrieb, bei dem zumal die leitenden Offiziere ihre ruhige Kugel schoben, hat die „Heimtücke“ des japanischen Überfalls erst möglich gemacht: Hätte der Riese nicht geschlafen, der Zwerg wäre nie zum Zuge gekommen. Wenn also künftig jemand fragt, warum die USA Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki abgeworfen haben, darf mit einem Treppenwitz geantwortet werden: Weil sie am Wochenende nichts anderes im Sinn hatten als Hula Hula — und es reichlich Bier gab auf Hawaii.

Auf einem anderen Feld, aber aus denselben Gründen, hat sich diese Geschichte wiederholt. Nach dem Krieg begann Japan die Massenproduktion elektronischer Geräte, und man kann sich vorstellen, was die Direktoren von General Electrics oder Siemens in den 60er Jahren taten, als erste Nachrichten über kleine Japan- Shops mit billigen Transistor-Radios einliefen: Sie fuhren ins Wochenende zum Golfen. Das Ergebnis ist bekannt: Mittlerweile gibt es in jedem Elektronik-Shop kaum noch etwas, was nicht aus Japan kommt. Und der Zwerg hat auch dafür gesorgt, daß ihm dafür ein so brutaler Racheakt wie die Atombombe möglichst nicht noch einmal droht: Ohne elektronische Bauteile aus Japan kriegt das US-Militär mittlerweile kaum noch einen Wetterballon hoch.

Und was tun die Japaner, nachdem sie den Westen statt mit Bomben mit Videorecordern, Computern, Walkmen und Gameboys erobert haben? Sie lernen von den Verlierern: Begriffe wie „Wochenende“, „Freizeit“, „Urlaub“, bis dato Fremdwörter, kommen neuerdings in Mode, die junge Generation beginnt sich für westliche Werte im allgemeinen und das Recht auf Faulheit im besonderen zu interessieren. Statt ständigen Schaffens und Schuftens könnte es auch in Japan bald heißen: „Sonntags nie!“