Ehrung für die prominenteste Gefangene der Welt

■ Heute erhält die unter Hausarrest stehende birmanische Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi den Friedensnobelpreis/ Der weltweite Druck für eine Verbesserung ihrer Lage hat wenig gebracht/ Ausländische Waffen- und Investitionshilfe fließt weiter

London/Berlin (taz) — Vielleicht hat die birmanische Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi inzwischen erfahren, daß sie Friedensnobelpreisträgerin ist. Doch während ihr englischer Mann Michael Aris und ihre beiden Söhne heute in Oslo stellvertretend die Ehrung entgegennehmen, sitzt Suu Kyi immer noch isoliert in ihrem Haus in Birmas Hauptstadt Rangun, von Soldaten bewacht.

Sie habe nun ein Radio und einen Fernseher erhalten, erklärten in der vergangenen Woche Vertreter der Militärjunta dem philippinischen Außenminister Manglapus, und „es geht ihr gesundheitlich gut“. Manglapus war als Vertreter der südostasiatischen Staaten nach Birma gereist — unter anderem mit dem Auftrag, sich für die seit sechzehn Monaten unter Hausarrest stehende Suu Kyi einzusetzen. Doch sein Wunsch, sich bei einem Treffen mit der Nobelpreisträgerin selbst von ihrer Situation zu überzeugen, stieß auf Ablehnung — wie bislang alle Versuche ausländischer Regierungsvertreter und Diplomaten, Kontakt mit ihr aufzunehmen.

Doch die Nobelpreisvergabe an Aung San Suu Kyi hat den internationalen Druck auf die birmanische Militärjunta verstärkt. Neun ehemalige Preisträger, darunter Willy Brandt, der südafrikanische Erzbischof Tutu und der Dalai Lama haben die internationale Gemeinschaft aufgefordert, allen Handel mit Birma und alle Investitionen in dem Land auszusetzen. Am vergangenen Freitag verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Resolution, in der das Regime in Birma aufgefordert wird, der Nobelpreisträgerin die Ausreise zur Entgegennahme der Ehrung in Oslo und die freie Rückreise nach Birma zu gestatten. Außerdem forderte der Bundestag die Junta auf, die Ergebnisse der Wahlen von 1990, bei der die „Nationale Liga für Demokratie“ unter Führung von Aung San Suu Kyi eine überwältigende Mehrheit gewonnen hatte, „ohne Bedingungen“ anzuerkennen.

Bereits Anfang Dezember äußerte die UN-Vollversammlung in einer Resolution ihre Sorge über die ernste Menschenrechtslage in Birma und forderte die Regierung in Rangun auf, den Bürgern des Landes politische Mitwirkungsmöglichkeiten zu geben. Die von Schweden initiierte Resolution folgt auf mehrere vergebliche Versuche der UNO, sich direkt über die Menschenrechtslage in Birma zu informieren. Im Jahre 1989 erhielt die unabhängige Beobachterin — und heutige UN-Flüchtlingskommissarin — Sadako Ogata den Auftrag, „das Muster schwerer Menschenrechtsverletzungen“ zu prüfen. In ihrem letztes Jahr veröffentlichten Bericht beschwerte sie sich über die Weigerung der birmanischen Regierung, ihr irgendwelchen Zugang zu politischen Gefangenen oder Haftanstalten zu gewähren. Daraufhin befand die UNO eine weitere Untersuchung für nötig. Ein neuer UN-Beobachter besuchte Rangun im September — und erfuhr dieselbe Behandlung: Er bat darum, Suu Kyi besuchen zu dürfen, und die Behörden lehnten dies ab.

Die Resolution der UNO kommt Birmas Regierung ungelegen. Der regierende „Staatsrat zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung“ (SLORC), der seine Macht einem Militärputsch aus dem Jahre 1988 verdankt, beruft sich immer wieder darauf, daß die UNO ihn weiterhin als legitime Regierung anerkennt. Doch hat die UNO nie die Anerkennung einer Regierung aus Menschenrechtsgründen zurückgezogen.

Praktische Auswirkungen hat die UNO-Resolution nicht. UN-Unterorganisationen wie UNDP, UNCEF, FAO, WHO oder die Drogenbekämpfungsbehörde arbeiten weiter innerhalb Birmas. Die UNDP fordert sogar eine Ausweitung der millionenschweren Entwicklungszusammenarbeit. Nur indem die UNO dies ablehnt und die Kooperation einfriert, so sagen Menschenrechtsaktivisten, wird sie ihre Ernsthaftigkeit beweisen.

Tausende politische Häftlinge

International ist das Militärregime Birmas keineswegs isoliert. Vertreter der Nachbarstaaten gaben sich in den letzten Wochen in Rangun die Klinke in die Hand: der Außenminister von Bangladesch, der Landwirtschaftsminister Thailands, der Außenminister der Philippinen. Prominentes Gesprächsthema: die bilateralen Handelsbeziehungen.

Glaubt man den Nachbarstaaten, kann man die Militärjunta auf dem sanften Wege zu Reformen bewegen. So behauptet Thailand, es wäre seinem Druck zu verdanken, daß Aung San Suu Kyi jetzt in ihrem Hausarrest Briefe empfangen darf. Doch ihre Familie in Großbritannien, die seit über 16 Monaten nichts von ihr gehört hat, bleibt skeptisch.

Im Lande selbst hat sich die Repression seit der Verkündung des Friedensnobelpreises eher vergrößert. Insgesamt sollen nach unterschiedlichen Einschätzungen zwischen 5.000 und 12.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert sein.

Seit Wochen kommt es nahe Rangun immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Militärs und aufständischen Gruppen, die sich aus rebellierenden ethnischen Minderheiten und untergetauchten Studenten zusammensetzen, berichten Exilanten in Bangkok. Die Bevölkerung von acht Dörfern im Irrawaddy-Delta, rund 130 Kilometer südwestlich von Rangun, habe bereits flüchten müssen. Die Regierung setzt chinesische F-6-Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber gegen die Rebellen ein. Birma erwarb erst dieses Jahr von China F-6- Flugzeuge, den chinesischen Nachbau der sowjetischen MIG-21, im Wert von 1,2 Milliarden US-Dollar. Die Kampfhubschrauber wurden von westlichen Regierungen zur Bekämpfung des Drogenhandels im Norden des Landes zur Verfügung gestellt.

Nicht nur Militärhilfe, auch Investitionen strömen verstärkt aus dem Ausland nach Birma. Vor allem thailändische, japanische, europäische und US-amerikanische Investoren haben Interesse an den reichen Vorkommen von Holz, Erdöl und Fischen. Larry Jagan/li