Vance-Mission wieder gescheitert

■ EG-Schiedskommission: Jugoslawische Republiken sollen Zusammenschlüsse selbst bestimmen

Berlin (taz/dpa/afp) — Wieder mußte Cyrus Vance unverrichteter Dinge abreisen. Gestern morgen stellte der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen am Ende seiner vierten Friedensmission im ehemaligen Jugoslawien fest, das Kriegsgebiet befinde sich im „völligen Zusammenbruch von Recht und Ordnung“. Ein letztes Gespräch mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic habe zwar „gewisse Fortschritte“ ergeben, doch seien auch Rückschläge zu verzeichnen. Auf die UN-Bedingungen für einen Einsatz von Friedenstruppen hätten sich die Konfliktparteien jedoch nicht eingelassen. Vielmehr hielten die Kämpfe in Kroatien an. Einmal mehr seien die Bedingungen für die Entsendung von Friedenstruppen nicht erfüllt worden, erklärte ein Mitglied aus Vance' Delegation. Als Haupthindernis bezeichnete der Diplomat die Nichteinhaltung der UN-Hauptforderung nach einem Waffenstillstand.

Seit Tagen stand Vance' Mission zwischen den serbischen und kroatischen Fronten vor dem Scheitern. Mehrfach hatte der Unterhändler die Angriffe der serbischen Bundesarmee als „abscheulich“ und unerträglich verurteilt. Er drohte auch, sie könnten „nicht unbeantwortet bleiben“. Welche weiteren Schritte Vance jetzt jedoch UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar in New York vorschlagen wird, ist unklar.

Die diplomatische Anerkennung Kroatiens und Sloweniens zum jetzigen Zeitpunkt hält Perez de Cuellar jedenfalls für falsch. In einer indirekten Kritik an den Plänen Deutschlands, Österreichs und anderer europäischer Länder warnte er am Wochenende ausdrücklich vor einer Einmischung in den jugoslawischen Konflikt. Es sei wichtig, sagte der scheidende UN-Generalsekretär, daß „außerhalb Jugoslawiens keine Schritte unternommen werden, die die Situation weiter verkomplizieren und die gegenwärtigen Bemühungen gefährden“.

In die staatsrechtliche Situation im ehemaligen Jugoslawien schaltete sich am Wochenende auch die Schiedskommission der EG ein. Das mit fünf europäischen Verfassungsgerichtspräsidenten besetzte Gremium stellte fest, Jugoslawien sei im Zerfall begriffen. Damit seien die Republiken die Rechtsnachfolgerinnen geworden und könnten neue Formen von Zusammenschlüssen untereinander beschließen. Dabei müßten das internationale Recht, die Menschenrechte und der Minderheitenschutz beachtet werden.

Mit dem Spruch der Schiedskommission wird sich vermutlich auch die festgefahrene EG-Friedenskonferenz befassen. Vier Wochen nach ihrer Aussetzung kamen die Verhandlungsteilnehmer, darunter die Präsidenten der sechs jugoslawischen Republiken gestern zu einem informellen Treffen in Den Haag zusammen. Im Kreise der EG-Mitgliedsländer dürfte sich die Diskussion um eine Anerkennung von Kroatien und Slowenien nach der gescheiterten UN-Mission weiter zuspitzen. Von einigen Mitgliedsländern, speziell den Niederlanden, wird das Drängen der Bundesregierung nach Anerkennung als rein „verbale Politik“ kritisiert. Speziell die Kroaten würden erwarten, daß nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen auch Waffen, Militärhilfe und eventuell sogar Truppen aus Deutschland kämen. Deutschland würde diese hohe Erwartung mit seiner Politik zwar herausfordern, jedoch sicher nicht einlösen, meinen niederländische Regierungsmitglieder. Von dem Maastrichter Gipfel wollen die Niederlande die kontroverse Jugoslawien-Diskussion jedoch auf jeden Fall fernhalten. Das Thema soll in einigen Tagen bei einem gesonderten Außenministertreffen in den Niederlanden beraten werden. Falls parallel zu den Verhandlungen in Den Haag jedoch UN- Friedenstruppen ins ehemalige Jugoslawien entsandt würden, könnten viele EG-Länder sich eher zu einer Anerkennung der beiden neuen Staaten durchringen. dora