MIT DEN WÄHRUNGSHÜTERN AUF DU UND DU
: Nationalbank am Gängelband

■ Antalls Hofökonom Bod neuer Bankpräsident

Budapest (taz) — Gut eine Woche nach György Surányis Absetzung hat Ungarn seit gestern einen neuen Nationalbankpräsidenten: den bisherigen Industrie- und Handelsminister Péter Ákos Bod. Ministerpräsident József Antall zog damit eine Entscheidung durch, die im ganzen Land heftige Proteststürme ausgelöst hatte. War schon die Entlassung des von seinen ausländischen Kollegen geschätzten Surányis als Akt politischer Willkür angesehen worden, stellte die Wahl Bods einen Affront dar: Als Industrieminister hatte Bod nicht nur keine nennenswerten Erfolge verbuchen können, er steht auch im Ruf, die ökonomische Umgestaltung behindern zu wollen. Das richtige Parteibuch und die Loyalität gegenüber Antall verhalfen ihm zu dem neuen Job.

Als oberster Wirtschaftsberater des Ministerpräsidenten war er auch für das Wirtschaftsprogramm der Regierungspartei MDF verantwortlich, von dem ein Großteil der Bevölkerung glaubt, daß es aus „Nichtstuerei“ bestehe. Auch eine Reihe namhafter Ökonomen wirft der Regierung vor, sie ziehe sich nicht genug aus dem Wirtschaftsleben zurück, übe zu starke Kontrollen auf den Privatisierungsprozeß aus und verzögere die Schaffung moderner Gesetze etwa im Tarif-, Steuer- und Rechnungswesen. Bod steht für die interventionistische Politik der Antall-Regierung. Darüber hinaus ist er laut dem renommierten Wirtschaftsexperten Tamás Bauer in Finanz- und Währungsfragen ein Neuling.

Vorgänger Surányi betrieb als Nationalbankpräsident eine restriktive Währungspolitik; die Erfolge bei der Inflationsbekämpfung gehen mit auf sein Konto. Gefeuert wurde er von Antall, weil er eine oppositionelle „Demokratische Charta“ unterzeichnet hatte, in der die Regierung aufgefordert wurde, ihren Einfluß auf öffentliche Leben, Medien, Bildungswesen und Wirtschaft zurückzunehmen. Daß Surányi nur deshalb seinen Posten verlor, glaubt in Budapest niemand. Unabhängige Medien und Oppositionspolitiker sehen in dem Rausschmiß einen Vorwand, um mehr Kontrolle über formal unabhängige Institutionen ausüben und die kürzlich nach heftigen Kontroversen verankerte Autonomie der Nationalbank unterlaufen zu können. „Wäre es nur um die Unterzeichnung des Manifestes gegangen“, kommentierte Tamás Bauer, „hätte Antall ebenso gut einen unabhängigen Finanzexperten einsetzen können. Antalls Ziel war schlicht, die Nationalbank unter MDF-Kontrolle zu bringen.“ Der Philosoph und SZD-Abgeordnete Gáspár Miklós Tamás erinnerte im Parlament daran, daß es vor nicht allzu langer Zeit gängige Praxis gewesen sei, Personen von ihren Posten zu entfernen, „nur weil sie Petitionen unterzeichneten, die nicht nach dem Geschmack der Herrschenden waren“. Keno Verseck