Der Machtkampf um die Holzpaletten

Verordnung für Transportverpackung in Kraft/ Vertreiber und Hersteller von Transportverpackungen sind per Gesetz gezwungen, ihre Produkte zurückzunehmen/ Keiner will bezahlen/ Einzelhändler wissen nicht wohin mit dem Zeug  ■ Von H. Tenhagen und M. Runge

Berlin (taz) — Bonn ist Avantgarde, sozusagen. In Bonn werden seit Oktober im großen Maßstab die neuen gelben Mülltonnen und die gelben Müllsäcke verteilt, und das mit großem Erfolg. Etwa 70 Prozent des Stadtgebietes bedient der private Entsorger TK-Umweltdienste jetzt mit gelben Tonnen — Tendenz steigend. Und jede Woche flattern bei der Bonner Stadtreinigung 400 bis 500 Anträge ein von Bürgern und Bürgerinnen, die Zahl oder Größe ihrer städtischen Mülltonnen verringern wollen. Joghurtbecher, Coladosen und anderer Müll mit dem Grünen Punkt kann in großen Teilen Bonns jetzt in die gelbe Tonne wandern. Von da aus wandern sie in eine Sortieranlage im nahegelegenen Erftstadt. Und die Anlage verlassen die sortierten Wertstoffe dann auf den Lastern sogenannter Garanten — sie sollen für die stoffliche Verwertung sorgen. Wo das passiert: TK- Geschäftsführer Norbert Böhm zuckt mit den Schultern.

Sortierprobleme in Erftstadt seien zwar vorhanden, aber nach der guten Mitarbeit der Hausfrauen beherrschbar, so Böhm. Auch die Fraktion an Restmüll, der bei der Stadt Bonn verbleibt, sei zur Zeit relativ klein. Aber auch: „Man müßte der Industrie eigentlich deutlich sagen, daß sie die Aludeckel endlich wegläßt.“ Der Müll, so der erste Eindruck, verteilt sich problemlos auf Stadtreinigung und TK. Und dann gilt: Aus den Augen, aus dem Sinn.

Mit dem Anfang Dezember in Kraft getretenen ersten Teil der Verpackungsverordnung hat aber dieses „Duale System“ erstmal nichts zu tun. Transportverpackungen, wie Paletten, Kartons, Einschweißfolien oder Styropor werden nicht im Rahmen des Dualen Systems abgeholt. Vielmehr muß auch nach dem Inkrafttreten der Verordnung noch jeder Einzelhändler selbst sehen, wie er seine Transportverpackungen los wird. Heinz Trapp, Eigentümer eines Bonner EDEKA-Marktes, hat von seiner EDEKA-Zentrale als Hilfestellung eine Liste mit 40 Müllentsorgern bekommen, die ihm die Last mit den Transportmüll abnehmen könnten. Was das kostet, weiß er noch nicht. „Ich such' mir halt den Preisgünstigsten raus.“

Das wird ihm schwerfallen. Zwar sind Hersteller und Vertreiber von Transportverpackungen jetzt per Gesetz gezwungen, ihre Produkte zurückzunehmen oder stofflich verwerten zu lassen. Im Gegensatz zum Dualen System für private Zahnpastatuben und den Joghurtbecher, haben sich Industrie und Handel bei den Transportpacks aber nicht auf ein Konzept für die 10 Millionen Tonnen Transportmüll einigen können. „Entsorger“ Böhm, der aus diesem Geschäft kommt: „Es gibt kein Finanzierungssystem.“ Ob letztlich Handel oder Industrie die geschätzten 1,5 Milliarden Kosten zahlen müssen, werde in einem Machtkampf entschieden. Jeder Versuch, einheitliche Preise festzulegen, läßt nach seiner Einschätzung den einen zuviel und den anderen zuwenig zahlen.

Nach der Verordnung ist zwar klar, daß derjenige, der die Verpackungen in Verkehr bringt und zurücknehmen müßte, auch die Kosten der Verwertung tragen muß. Strittig ist jedoch, wer für die notwendigen Transportkosten aufkommt. Die Unsicherheit machen sich die großen Karton- und Wellpappehersteller zunutze. Sie bieten den Einzelhändler- und Handelsketten Verpackungslösungen inclusive eines „Verpackungsrücknahmesystems Deutschland“ (VRSD) an, die — wie sollte es anders sein — vor allem auf den vermehrten Einsatz von Papierprodukten zielt. Im Rücknahmesystem hat sich der Bundesverband Papierrohstoffe mit verschiedenen Entsorgungsunternehmen zusammengeschlossen. Daneben gibt es noch andere Systeme (RESY, Interseroh und RVT), deren hervorstechende Eigenschaft offenbar ist, daß sie mit konkreten Informationen geizen. Resy und Interseroh sollen hinter den Kulissen nach wie vor über ein gemeinsames System verhandeln. Resy hat ein System mit Symbolen entwickelt, ähnlich dem Grünen Punkt. Firmen, die das Signet erwerben wollen, müssen dafür bezahlen und können dann ihre Verpackungen von Resy entsorgen lassen. Das Geld für das Signet diene nur der Verwaltung.

Wer sich in dem Gerangel durchsetzt, kann den Kunden letztlich egal sein, kommentiert das Umweltbundesamt (UBA). Zahlen müssen es Kundinnen und Kunden sowieso. Und mit Erkenntnissen über ein Mehr oder Weniger an Transportverpackungen könne man frühestens in einigen Monaten rechnen. UBA- Sprecher Hans-Jürgen Nantke rechnet jedenfalls nicht mit großen Einsparungen. Transportverpackungen wie Paletten seien immer ein Wirtschaftsgut, nicht Ausstellungsstück gewesen.