In Birma Demonstration für Nobelpreisträgerin

Oslo/London (taz) — Rund tausend Studenten haben gestern, am Tag der Verleihung des Friedensnobelpreises an die birmesische Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi, in Birmas Hauptstadt Rangun demonstriert. Sie forderten die Freilassung Aung San Suu Kyis aus dem Hausarrest und Demokratie für Birma, berichten Augenzeugen. Gegen Mittag seien vor der Universität starke Polizei- und Armeekräfte aufgezogen worden, die den Campus abriegelten. Mehrere tausend Studenten hätten sich zu diesem Zeitpunkt innerhalb der Universität befunden. Am Nachmittag habe sich die Demonstration aufgelöst, die Sicherheitskräfte seien aber noch vor Ort geblieben.

Bereits am Montag sollen kleine Gruppen von Dissidenten in einer Reihe von Ranguner Teashops Flugblätter verteilt haben. Dutzende sollen festgenommen worden sein.

Während Aung San Suu Kyi weiter in Rangun unter strenger Isolation festgehalten wird, fand gestern in Oslo die feierliche Friedensnobelpreisverleihung statt. An Stelle der 46jährigen Oppositionspolitikerin empfing ihr ältester Sohn Alexander Aris den Preis in Anwesenheit des norwegischen Königs. Er erklärte in seiner Dankesrede: „Meine Mutter würde sagen, daß der Preis nicht ihr, sondern all jenen Männern, Frauen und Kindern gehört, die nach wie vor ihre Gesundheit, ihre Freiheit und ihr Leben für das Streben nach einem demokratischen Birma opfern.“

An der Feier nahmen neben früheren Preisträgern, norwegischen und ausländischen RegierungsvertreterInnen vor allem im Exil lebende BirmesInnen einschließlich der Gegenregierung von Birma teil. Diese Gegenregierung bildete sich vor einem Jahr aus den im Mai 1990 gewählten Parlamentariern und hat ihren Sitz in dem von ethnischen Minderheiten kontrollierten Grenzgebiet zu Thailand.

Die gestrige Preisverleihung ist umrahmt von einer Birma-Woche in Oslo mit einer Vielzahl von politischen und kulturellen Veranstaltungen. Dabei wies unter anderem der schwedische Journalist und Birma- Experte Bertil Lindner darauf hin, daß sich der Drogenanbau in von der Militärjunta kontrollierten Gebieten Birmas seit 1988 verdoppelt hat. In diesem Jahr wurden 2.000 Tonnen Opium geerntet, Stoff für 200 Tonnen Heroin. Er beschuldigte die UN- Organisationen, die ihre Entwicklungsprojekte in diesen Gebieten dieses Jahr zum ersten Mal nach dem Putsch wieder aufgenommenen haben, der Junta internationale Glaubwürdigkeit zu verschaffen.

Bei den Diskussionen um mögliche Wege aus den politischen Konflikten, die das Land seit vierzig Jahren erschüttern, überwogen die Befürchtungen, daß es in der Zukunft zu noch größeren Grausamkeiten des Militärs gegen die Zivilbevölkerung im Landesinneren und in den Grenzgebieten kommen werde. Diese Gefahr sah der britische Journalist Martin Smith verstärkt für den Fall eines — nach dem Tode des „starken Mannes“ Ne Win — nicht auszuschließenden Zusammenbruchs der derzeitigen Herschaftsstrukturen. Entwicklungen vergleichbar mit dem Bürgerkrieg in Jugoslawien schloß er nicht aus.

Unterdessen forderte die in Genf ansässige Interparlamentarische Union Auskunft über 64 Abgeordnete der „Nationalen Liga für Demokratie“, deren Gründerin die Nobelpreisträgerin ist. Sie waren nach den Parlamentswahlen im Mai 1990 teilweise in Schnellverfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Michael Baumann/Larry Jagan