„Einwanderung“ nach Israel durch Abschiebung?

■ Eine Gruppe teilweise jüdischer Emigranten aus der UdSSR soll von den Niederlanden nach Israel abgeschoben werden/ Manche von ihnen haben bereits eine Einwanderung nach Israel hinter sich/ Ihre Asylanträge wurden in Den Haag abgelehnt

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die niederländische Regierung hat beschlossen, noch in dieser Woche eine Gruppe sowjetischer Emigranten nach Israel abzuschieben. Gestern versuchte die Polizei, die ersten beiden Familien zum Flughafen zu bringen. Fürs erste sind sie gescheitert, weil niederländische Menschenrechtsorganisationen und Kirchengemeinden bereits letzte Woche die Öffentlichkeit gegen den Beschluß mobilisierten und die gestrige Polizeiaktion tatkräftig behindert haben. Die Betroffenen wurden gestern alle vom niederländischen Justizministerium über ihre bevorstehende Ausweisung nach Israel informiert.

Es handelt sich um Auswanderer, die vor zwei Jahren in Ermangelung alternativer Einreisemöglichkeiten von der Sowjetunion nach Israel gegangen sind. Manche von ihnen sind Juden, andere sind zum Christentum übergetreten und wurden nach dem israelischen Einwanderungsgesetz als „Verwandte“ von Juden zur Immigration zugelassen. Von Israel aus sind die Emigranten aber in die Niederlande ausgereist, wo sie um politisches Asyl baten. Ihre Anträge begründeten viele von ihnen unter anderem damit, daß sie in Israel als Christen bei der Wohnungs- und Arbeitsstellenvergabe benachteiligt würden und daß sie wachsendem Druck ausgesetzt gewesen seien, zum Judentum überzutreten.

Nach einer Meldung der Internationalen Friedensunion Paris (IJPU) haben die niederländischen Behörden die Asylgesuche abgelehnt. Die IJPU rechnet damit, daß in der nächsten Woche weitere hundert Personen nach Israel abgeschoben werden. Die Betroffenen haben erklärt, sie wollten unter gar keinen Umständen zurück nach Israel.

Kirchliche Gruppen und Menschenrechtsorganisationen haben gegen den Beschluß der Behörden protestiert, und sie betonen, daß es die niederländische Botschaft war, die die ganze Zeit als kommissarische Vertretung Israels in Moskau fungiert habe. In dieser Eigenschaft sei die Botschaft auch an der Ausarbeitung von Plänen beteiligt gewesen, die vor allem von den USA und von Israel befürwortet wurden und dafür sorgen sollen, daß jüdische oder mit Juden verwandte sowjetische Auswanderer nur nach Israel und in kein anderes Land auswandern können.

Seit die Auswanderung von Juden aus der Sowjetunion vor rund zwei Jahren in großem Umfang genehmigt wurde, hatte sich die israelische Regierung dafür eingesetzt, daß diese Auswanderer möglichst alle nach Israel kommen. Dafür ist vor allem das Interesse der Regierung an einer Veränderung des demographischen Verhältnisses zwischen Juden und Arabern in Israel und den besetzten Gebieten ausschlaggebend. Praktisch sind die israelischen Einwanderungsbehörden schon seit geraumer Zeit mit der Integration der Neueinwanderer aus der Sowjetunion vollkommen überfordert.

Niederländische Aktivisten von Menschenrechtsorganisationen haben inzwischen beschlossen, die von der Abschiebung bedrohten Asylbewerber vor der Polizei zu verstecken. Die israelische Botschaft in Den Haag hat erklärt, der erneuten Aufnahme der ausgewanderten Sowjetbürger stünde nichts im Wege. Eine entsprechende Note wurde an die niederländische Regierung geschickt. Das Justzministerium hat aufgrund dieser Benachrichtigung beschlossen, sofort mit der Deportation zu beginnen. Die IJPU hat weltweit zu einer Kampagne der jüdischen Gemeinden gegen diese Politik aufgerufen und Protesttelegramme an niederländische Botschaften und das israelische Außenministerium geschickt. In ihnen heißt es: „Die Deportation dieser Leute nach Israel, wo sie schon einmal gelitten haben und wo sie nicht leben wollen, ist ein inhumaner, bösartiger Akt. Israel wird nicht davon profitieren, daß Jerusalem Den Haag ermutigt, Asylanten gegen ihren Willen dazu zu zwingen, in Israel zu leben.“

In Israel wird angenommen, daß sich zur Zeit ungefähr 400 jüdische oder ehemals jüdische sowjetische Auswanderer in den Niederlanden befinden. Manche von ihnen kamen direkt in die Niederlande, andere auf dem durch die Auswanderungspolitik in Moskau erzwungenen Umweg über Israel. Für die Reise von Tel Aviv via Budapest in die Niederlande haben die meisten angeblich Preise von bis zu 5000 DM bezahlt.

Niederländische Rechtsanwälte, die jetzt versuchen, die Abschiebung zu verhindern, äußerten sich schon letzte Woche pessimistisch über die Erfolgsaussichten, da es keinen internationalen Druck auf die niederländische Regierung gebe, den Beschluß zurückzunehmen. Die Betroffenen bestehen, wenn sie die Niederlande denn schon verlassen sollen, auf einem Transport nach Surinam, in eine frühere niederländische Kolonie, da dort in solchen Fällen gewisse Aussichten auf die Gewährung von Asyl bestehen.