Kein Steuerkompromiß in Sicht

■ SPD-Ländermehrheit gegen Unternehmenssteuer-Senkung/ Bund macht kein Verhandlungsangebot

Bonn (ap) — Trotz stundenlanger Vorgespräche ist es dem Bonner Vermittlungsausschuß auch am zweiten Tag seiner Verhandlungen zunächst nicht gelungen, einen Kompromiß zum Steuerpaket 1992 zu finden. Verhandlungsführer Johannes Rau sagte gestern nach einer knapp einstündigen Sitzung des 32köpfigen Gremiums von Bundesrat und Bundestag, bis zum späten Nachmittag werde der Vermittlungsversuch unterbrochen. Bis dahin sollte ein Spitzengespräch von zwölf hochrangigen Vertretern des Ausschusses mit Bundesfinanzminister Theo Waigel Klarheit über mögliche Kompromißlinien schaffen.

In der Frage der geplanten Anhebung der Mehrwertsteuer, der Senkung der Unternehmenssteuern und der Erhöhung von Kindergeld und -freibetrag habe der Bund noch kein Angebot gemacht, sagte der niedersächsische Bundesratsminister Jürgen Trittin. Der saarländische Ministerpräsident Lafontaine meinte: „Es sind Schwierigkeiten aufgetaucht, das ist ja bekannt.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Jürgen Rüttgers, sagte: „Wir reden weiter.“

Am Morgen hatten sich die Ausschußmitglieder nach Parteien getrennt zu Beratungen getroffen. Eine zwölfköpfige Arbeitsgruppe, die der Ausschuß eingesetzt hatte, mußte bereits am Vorabend das Scheitern ihrer Gespräche verkünden. Blens erklärte, die Vertreter von Bund und Ländern seien nicht mehr verhandlungsfähig. Ergänzend hieß es dazu, die SPD-Vertreter hätten über die Ende des Jahres auslaufende Finanzhilfe für die alten Länder und den Fonds Deutsche Einheit beraten wollen, die Mitglieder der Regierungsparteien hätten dafür aber kein Verhandlungsmandat besessen.

Der Bundesrat hatte in seiner Sitzung am 29. November das geplante Steueränderungsgesetz 1992 abgelehnt und den Vermittlungsausschuß angerufen. Hauptpunkt des Steuerpakets ist die Anhebung der Mehrwertsteuer von 14 auf 15 Prozent zum Jahresbeginn 1993. Zu diesem Zeitpunkt soll die Gewerbekapitalsteuer entfallen, die Vermögenssteuer auf das Betriebsvermögen gesenkt und der Freibetrag bei der Bewertung des Betriebsvermögens von 125.000 auf 500.000 Mark heraufgesetzt werden. Für Familien ist eine Anhebung des Erstkindergeldes von 50 auf 70 Mark monatlich und eine Erhöhung des Kinderfreibetrags von 3.024 auf 4.104 Mark jährlich ab 1992 geplant. Ebenso wie die Anhebung der Mehrwertsteuer lehnt die SPD, die im Bundesrat die Mehrheit hat, die geplante Streichung der Gewerbekapitalsteuer und die Senkung der betrieblichen Vermögenssteuer bisher strikt ab. Das Erstkindergeld soll nach dem Willen der Ländermehrheit auf 125 Mark erhöht werden.