Fast über den Eid gestürzt

■ Ein erhebender Augenblick bremischer Geschichte

Kaum eine in der Republik glaubte noch dran. Und doch ist's vollbracht: Der Vertrag zur Ampelregierung ist unterzeichnet. „Aber bitte nicht mit Bleistift“, rief Hafensenator Beckmeyer den Grünen zu, als sie unterschrieben. Und als Bürgerschaftspräsident Dieter Klink die neuen SenatorInnen fragte, ob sie ihre Wahl denn auch annähmen, hielten einige im Saal noch die Luft an — bis von Helga Trüpel und Ralf Fücks laut und vernehmlich „Ja“ zu hören war.

Die Konfusion der letzten Tage war nicht spurlos an den KoalitionärInnen vorbeigegangen. Verschlafen, blaß und unrasiert erschienen die meisten gestern morgen in der Bürgerschaft. Christine Bernbacher allerdings, als grünes „Schlachtschiff“ in den Wahlkampf geschickt, erschien in blaustrahlendem Gewand, ihrer Stellung als Vizepräsidentin angemessen. Der Platz neben dem Präsidenten hatte sie jedoch sichtlich verwirrt: In den Reihen der Abgeordneten konnte sie ihren Stuhl nicht finden und setzte sich versehentlich auf den des FDP-Fraktionsvorsitzenden (woraufhin Claus Dittbrenner, SPD-Fraktionschef und ganz Kavalier alter Schule, sie zu ihrem Platz bei den Grünen geleitete).

Aus der SenatorInnenwahl war Ralf Fücks als „stärkster Mann im Senat“ hervorgegangen (mit 61 Stimmen) — wer aus der CDU ihm da seine Stimme gab, darüber kann nur spekuliert werden. Fücks jedenfalls, der danach forsch wie Django zur Vereidigung schritt, macht dies „Angst“ — das zumindest sagte er beim Verlassen des Sitzungssaales kaum vernehmlich im Treppenhaus. Auf der Senatorenbank hatte er mit sichtlichem Wohlgefallen Platz genommen. Kumpelhaft tuschelte er gleich mit Claus Jäger.

Helga Trüpel war zur Vereidigung demonstrativ in Jeans und Stiefeln gekommen - „weil ich mich immer so kleide.“ Kaum vernommen haben wird sie, wie der CDU-Abgeordnete Teiser sie bezeichnete (immerhin so laut, daß es auf der Pressetribüne zu hören war): „Parlaments-Barbie.“ Daß Bürgerschaftspräsident Dieter Klink Helga Trüpel bei der Vereidigung als einzige mit „Frau Senatorin“ ansprach, dürfte da ein schwacher Trost sein.

Klink zeigte sich überhaupt sehr menschlich: Bürgermeister Claus Jäger klopfte er kumpelhaft auf die Schulter, nachdem dieser den Eid zum Wohle des Landes Bremen geschworen hatte. Und Bausenatorin Eva-Maria Lemke- Schulte fing er geistesgegenwärtig auf, als sie auf dem Weg zum Schwur rückwärts die Stufen zum Präsidium hinunterzustürzen drohte.

„Vergessen Sie bitte nicht, daß Sie nicht einer einzelnen Gruppe oder einer besonderen Basis verpflichtet sind“, gab Klink den SenatorInnen mit auf den Weg, nachdem er ihnen eine „erfolgreiche Tätigkeit“ gewünscht hatte. Am Abend schickte er alle „auf dem direkten Weg“ nach Hause - weil die letzten Nächte so schrecklich lang waren. ra