Reif für die Insel

■ Auch in Zukunft: Nationaler Hörfunk ohne bundesweite Verbreitung

(dpa/taz) — Jeder bundesdeutsche Gebührenzahler wird bald 75 Pfennige für ein Vorhaben zusätzlich auf seiner Rechnung vorfinden, über das eigentlich nur wenige Eingeweihte Bescheid wissen: Die Rede ist vom nationalen Hörfunk. 300 Millionen Mark stehen dafür im nächsten Jahr zur Verfügung, doch nach dem derzeitigen Stand der Dinge ändert sich für den Gebührenzahler eigentlich nichts — bis auf den Mehrbetrag.

Mit dem Kompromiß sicherten die Ministerpräsidenten der Länder Mitte 1991 den Fortbestand von DLF (Deutschlandfunk) aus Köln, RIAS 1 (Rundfunk im amerikanischen Sektor) aus dem Westteil Berlins und dem Sender DS-(Deutschlandsender) Kultur aus Ost-Berlin. Kann man nun diese drei Sender überall in Deutschland hören? Nein, beim Empfang bleibt alles beim alten: DS- Kultur wird im Osten zu hören sein, DLF im Westen und der RIAS in Berlin und Hof. Vornehmer wird dieser Sachstand in den internen Papieren mit den „drei Insellösungen“ umschrieben.

Das ZDF, das gerne auch ein Stückchen Hörfunk sein eigen nennen würde, kommt der Erfüllung seines Wunsches näher. So steht in dem derzeit von den Länderparlamenten zu ratifizierenden Rundfunk-Staatsvertrag, daß ARD und ZDF einen Teil der Rundfunkgebühren gemeinsam „zum Aufbau und zum Betrieb des bundesdeutschen Hörfunks verwenden“. Ein Sieg für das ZDF ist daher auch die Regelung, daß die 400 Mitarbeiter von DS-Kultur (einschließlich Chor und Orchester) — die vom Rundfunkbeauftragten Rudolf Mühlfenzl zum Jahresende gekündigt wurden — mit ZDF-Arbeitsverträgen beim Mainzer Sender „geparkt“ werden, bis die Strukturen des nationalen Hörfunks geklärt sind.

Eben darüber wird derzeit erbittert gestritten, geht es doch um Verlust oder Gewinn von Finanzen, Frequenzen und Einfluß. Je nach Interessenlage werden derzeit drei Modelle gehandelt: das „Federführungsmodell“, bei dem die ARD in Köln die Aufsicht erhielte und das ZDF in Berlin Radio veranstalten dürfte, das „Körperschaftsmodell“, bei dem alle drei Sender der gemeinsamen Aufsicht von ARD und ZDF unterstellt werden, und schließlich das von der Bundesregierung favorisierte Modell einer eigenen Hörfunkanstalt mit vollen Rechten, das sogenannte „Anstaltsmodell“.

Das „Anstaltsmodell“ mit eigenen Aufsichtsgremien hat viele überzeugende Argumente für sich, doch auch einen Haken: Alle Befürworter sprechen für diesen Fall nur noch von zwei Programmen. Seither läuten bei DS-Kultur alle Glocken. Chefredakteurin Monika Künzel ahnt schon Arges und warnte vor verfrühter Siegesgewißheit. Jedes falsche Wort könnte den Bestand des Senders immer noch gefährden.

Die Idee eines nationalen Hörfunks ist weithin akzeptiert. Doch bei allen nachfolgenden Fragen sind die Beteiligten heillos zerstritten. Da werden Vorbehalte gegen den jeweils anderen Partner ebenso vorgebracht, wie die Länder — die die eigentlichen Herren des Vorhabens sind — schnell noch die letzten freien Frequenzen verteilen, nur um sie nicht letztlich noch diesem Vorhaben „opfern“ zu müssen. Damit bleibt aber die Idee — zumindest für die Hörer — bis auf weiteres eher theoretisch.