Besserwessi im Ossiland

■ Der Erfurter Schriftsteller Henning Pawel über die zum Wort des Jahres gekürte Neuschöpfung: „Besserwessi“

Mit dem Trabant hat alles angefangen. Das Auto des Jahres 1989. Der kurzatmigen, tränenseligen Rührung über das entzückende, nun befreite Fahrzeug, Insassen inklusive, folgte der so anhaltende wie gesamtdeutsche Haß auf dem Fuße. Stinkende Scheißkiste, Kommunistenmercedes, Asphaltblase, nur einige der bundesdeutschen verbalen Liebkosungen. Und wer sich im verblendeten Ossitrotz auch heutzutage noch im einstigen Auto des Jahres auf altbundesdeutsche Straßen wagt, erfährt unverzüglich eine soziale Einordnung, die noch weit unter der einer Sintifamilie aus Rumänien angesiedelt ist.

Das Auto des Jahres wurde vom Bild des Jahres abgelöst. Der Kanzler beim Eierlauf in Erfurt. Entzückt hat das Bild des Jahres viele, aber halt nichts geändert. Ei auf Birne, ein vielleicht originelles und neues Omelett, aber nicht die geringste Änderung von Politik. Und nun der Ausdruck des Jahres: Besserwessi. Von der Gesellschaft für Deutsche Sprache gewählt, weil er alle anderen Ausdrücke überragt. Ein schwächliches Urteil, wie ich meine. Abwicklung, wäre weit deftiger gewesen. Und unübertrefflich gar der Ausdruck Treuhand. Man muß sich das Wort nur auf der Zunge zergehen lassen. Gerade in der Weihnachtszeit, und schon vor Jahrhunderten angekündigt: „Ist auch dir zur Seite, still und unerkannt, daß es lieb dich leite, an der treuen Hand.“ Wohin freilich, ist die große Frage.

Den Ausdruck Treuhand hätte jedenfalls ich gewählt, weil das Bild so köstlich ist. Treue Hände, die nichts veruntreuen. Halt nur verkaufen. Sehr preiswert. Natürlich niemals an die zu betreuenden Ossis, sondern immer nur an die treuen Besserwessis. Womit wir wieder beim Ausdruck wären.

Der Besserwessi, schon optisch unübersehbar. Pinkfarbener Sakko, grüne Hose, grelle Krawatte, weiße Söckchen, wehender Coat, Diplomatenkoffer. Schreit „Huch“, wenn es gilt, eine der furchtbaren Pfützen auf Oststraßen zu überspringen. Landet meistens mittendrin und macht unverzüglich die Stasi für das Komplott verantwortlich. Besonderes Kennzeichen: mildes Kopfschütteln über das Neandertal DDR, das es nun auszumisten, aber auch auszunehmen gilt.

Da es den Besserwessi gibt, muß es, was jener Jury offensichtlich entgangen ist, auch den Widerpart den Schlechter- oder Debi-Ossi geben. Ihn bevorzugt der Besserwessi unverhüllt, weil er zwar nicht lernfähig, aber auch nicht so störrisch wie der lernfähige Ossi ist. Er pariert. Kleidet sich schon fast so perfekt wie der Besserwessi. Pinkfarben, grün, weiße Söckchen. Ausschauen freilich tut der Debi-Ossi in seinem Besserwessi-Klamotten eigenartig. Auch kann er sich nicht so geschmeidig bewegen wie das große Vorbild im Westen, und schweigen muß er auch. Die unbeholfene Zunge würde ihn auf jeden Fall verraten. Aber das ist so beabsichtigt. Die Hausneger in den Südstaaten waren häufig ebenso elegant wie ihre Herren. Aber hat deshalb auch nur ein einziger Amerikaner den armen Onkel Tom mit Massa Ohara verwechselt?

Was bleibt? Nach dem Ausdruck nun die Wahl des Mannes des Jahres. Nur einer kommt dafür in Frage. Unser aller Stolz aus Oggersheim. Und da dieser Kanzler immer nur gesamtdeutsch denkt, wird er aus jenem Ereignis einen Feiertag besonderer Art kreieren. Seine Huldigung wird stattfinden im Haus des Jahres, Gruft der Preußenkönige zu Potsdam. Anreisen wird er im Auto des Jahres. Trabant. Natürlich zur Pullman-Limousine gestylt.

Überreicht wird die große Ehre von der Politikerin des Jahres, Sabine Bergmann-Pohl. Von einigen Übelwollenden auch Flöte des Jahres genannt.