Punk um Niedersachsens Haushalt

■ Opposition wirft Niedersachsen Verschwendung vor / SPD: Alles Quatsch

Mit zum Teil deftiger Polemik hat CDU-Fraktionschef Jürgen Gansäuer am Donnerstag im Landtag die Debatte über den Haushaltsentwurf der rot-grünen Landesregierung für 1992 eröffnet. Er warf der Regierungskoalition vor, trotz hoher Einnahmen über ihre finanziellen Verhältnisse zu leben. Niedersachsen sei der „größte finanzielle Einheitsgewinnler“ unter den deutschen Bundesländern. Trotz „gigantischer“ Steuermehreinnahmen infolge der deutschen Einheit gebe die Regierung „Tag für Tag mehr Geld aus“ als eingenommen werde.

Gleichwohl könne die Regierung ihre Wahlversprechen nicht einhalten. „Herr Schröder, Sie haben den Mund zu voll genommen. Sie haben die Wähler belogen und betrogen,“ sagte Gansäuer. Als Beispiele nannte er Wahlaussagen zur Arbeitszeitverkürzung für Lehrer, die Verdoppelung des Umweltetats oder die bessere Ausstattung der Hochschulen. Mit finanztechnischen Kunstgriffen überspiele die Regierung, daß für 1992 Ausgaben von 700 Millionen Mark nicht durch entsprechende Einnahmen gedeckt seien. Die Auflistung von nicht näher gekennzeichneten globalen Mehreinnahmen sei eine „Geisterbuchung“.

Gansäuer bestritt, daß die alte CDU/FDP-Regierung finanzpolitische Probleme hinterlassen habe. Er kritisierte, daß die Landesregierung offenbar für das Landtagswahljahr 1994 in der Haushaltsrücklage ein Finanzpolster aufsparen wolle. Gleichzeitig vernachlässige sie jetzt die Investitionen und schwäche damit die Wirtschaftskraft des Landes. Zu wichtigen Entscheidungen beim Straßenbau, bei der Müllverbrennung oder bei der Atommüllentsorgung sei sie aus „rein ideologischen Gründen“ nicht in der Lage. Gansäuer nahm die Haushaltsdebatte auch zum Anlaß, Schröders persönlichen Lebensstil als „Champagnersozialismus“ zu kritisieren. Die Jahresfeier der Regierung im Sommer bezeichnete der CDU-Politiker als „Gelage auf Kosten der Steuerzahler“.

CDU: Die rot-grüne Regierung lebt über ihre Verhältnisse

Als unqualifiziert hat der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Heinrich Aller (Seelze) die Kritik der CDU zurückgewiesen. Gansäuer habe sich kaum ernsthaft mit Haushaltsfragen befaßt, sondern erneut versucht, mit falschen Argumenten von den finanzpolitischen Erblasten der alten CDU/FDP-Regierung abzulenken. Der Landesregierung sei es innerhalb von nur 18 Monaten gelungen, „finanzpolitisch gründlich aufzuräumen“ und ein neues Haushaltsprofil herauszuarbeiten.

Aller wies darauf hin, daß der neue Haushalt neue Einnahmequellen ausschöpfe wie zum Beispiel die Förder- und Abfallabgabe. An den erheblichen Lasten des Landes durch die Finanzierung der deutschen Einheit würden die Kommunen durch das Solidarbeitragsgesetz fair beteiligt. Der SPD-Politiker wies gleichzeitig die Aussage Gansäuers zurück, Niedersachsen sei größter finanzieller Einheitsgewinnler. Die CDU rechne das Land in unverantwortlicher Weise reich. Tatsächlich fließe der größte Teil der Steuermehreinnahmen über den Länderfinanzausgleich ab.

Die Vorwürfe Gansäuers, die Regierung halte ihre Wahlversprechen nicht ein und habe die Wähler belogen, wies Aller zurück. Tatsächlich habe Rot-Grün wie versprochen Kindergartenplätze gefördert, Lehrer eingestellt und den Pflegenotstand bekämpft. Trotzdem bleibe die Koalitionsregierung bei ihrer Absicht, die Neuverschuldung in dieser Legislaturperiode unter zehn Milliarden Mark zu halten. Zur globalen Minderausgabe sagte Aller, das Land wende dieses „durchaus übliche Instrument“ nur in ähnlichem Rahmen an wie beispielsweise Bayern oder Baden-Württemberg.

Als „verschlissen und abgestumpft“ bezeichnete der FDP- Fraktionsvorsitzende Martin Hildebrandt die Regierung nach eineinhalb Jahren Regierungszeit.

SPD: Die Haushaltslöcher sind das Erbe der Regierung Albrecht

Rot-Grün werde in Niedersachsen nicht akzeptiert, sagte Hildebrandt in seiner Generalabrechnung mit der Regierungs- und Haushaltspolitik. Ausdrücklich lobte er dagegen die „sehr vernünftige Politik“ von Innenminister Gerhard Glogowski (SPD). Er gab damit Spekulationen um eine sozial-liberale Koalition in Niedersachsen neue Nahrung.

Hildebrandt kritisierte, daß die Landesregierung eine Neuverschuldung von 2,3 Milliarden Mark im Haushalt eingeplant habe. Zwar habe die alte CDU/ FDP-Landesregierung „manchmal an der falschen Stelle gespart“. Grundsätzlich gebe es

aber zur Sparpolitik damals wie heute keine Alternative. SPD und Grüne behinderten sich in zentralen Fragen, wie dem Wohnungsbau, der Abfallwirtschaft, der Wirtschaftspolitik und im Bereich von Hochschulen, Forschung und Bildung gegenseitig. Beim Wohnungsbau habe Sozialminister Walter Hiller (SPD) „komplett versagt“. Auf dem vermeintlich stärksten Gebiet von rot-grün, der Umweltproblematik, sei Stillstand eingetreten.

Für die Grünen hob ihr Abgeordneter Norbert Roske die Umsteuerung von Haushaltsmitteln besonders für ökologische Belange und Frauenfragen hervor. So seien im Umweltbereich 118 neue Stellen geschaffen worden. Außerdem sei die Wirtschaftsförderung insgesamt unter den Vorbehalt der Umweltverträglichkeit gestellt und im Haushalt 1992 ein 63 Millionen Mark umfassender Fonds zur Förderung des ökologischen Umbaus geschaffen worden. Das Frauenministerium habe Schwerpunkte bei der Familienberatung und der Förderung von Frauenhäusern gesetzt. Im sozialen Bereich sei erstmals ein Netz unabhängiger Beratungsstellen für Sozialhilfeempfänger und Erwerbslose aufgebaut worden. dpa