KOSLOWSKIS GITTA PLAUDERT VOM SOFA
Hab ich's doch gewußt. Schaller weiß wieder mal nicht, ob er weinen oder lachen soll. „Ihr Westdeutschen könnt es einfach nicht ertragen, daß wir die interessanteren Skandale haben sollen als ihr.“ Mein Ostler hat natürlich wieder mal RTL geguckt, obwohl ich ihm ständig predige, daß das noch nichts für ihn ist. „Wenn du erst mal eine Weile hier bist, dann kannst du das besser verstehen“, beruhige ich ihn liebevoll. „Aber wenigstens die sozialkritischen Sendungen“, jammert er los, weil er doch schon mitgekriegt hat, daß hier doch nicht Tutti- Frutti-Land ist, aber dann sieht er den heißen Stuhl, und schon ist meine ganze Einführungsarbeit in westliche Kultur wieder umsonst. „Wirklich?“, fragt er mich ungläubig, als Rosa sagt, daß Leonard Bernstein Probleme mit seiner Mutter hatte, und ich ahne schon, obwohl ich ihm versichert habe, daß das völlig normal ist und nicht nur Schwule betrifft, daß er jetzt unsere schöne Bernstein-Edition mit ganz anderen Ohren hören wird. „Echt?“, kann er es nicht glauben, als Rosa sagt: „Wir müssen die Freiheit haben, über alles frei zu sprechen, und wenn man sich erst mal bekannt ist, das ist unheimlich befreiend, so schön, wenn der Druck weg ist“, und ich ahne schon, wie er seine Dichterfreunde aus dem Osten zur IM-Bekennerschaft missionieren wird, obwohl ich ihm erklärt habe, daß doch jedes Kind weiß, wie erleichternd es ist, wenn man NICHT beim Klauen erwischt wird. „Tatsächlich?“, schüttelt er fassungslos den Kopf, als Rosa sagt, daß die meisten Schwulen CDU-Abgeordnete sind — da war ich allerdings auch verdutzt, weil ich das auch nicht von meinen vielen schwulen Freunden wußte... „Ja“, bestätigte Schaller aber, als Barbara Valentin, diese Mischung aus Jayne Mansfield und Helga Hahnemann, sagte: „Aids schadet den Schwulen.“ Mein süßer Ossi glaubt ja im Ernst, daß das ein Thema ist, was die Westler bewegt, und ist „das-kann-man-doch-nicht- machen-mäßig“ erschüttert. Seufzend erkläre ich ihm, wie sich die Angelegenheit verhält: Da kommt dieser Holger Misselowitz, der sich Rosa von Frankfurt-Praunheim nennt und jetzt, weil er keine Filme mehr macht, am liebsten wie Hark Bohm aussehen möchte, daher und übt im Fernsehen die sexuelle Denunziation, die aber gar keine ist, weil schon lange außer der 'Bild‘- Zeitung jeder wußte, daß Hape Kerkeling schwul ist. Da aber Rosa absolut keine Ahnung vom Outing hatte und auch gar nicht wußte, warum man dafür sein soll, hat RTL den guten alten Elmar Kraushaar angerufen, ob er Rosa vielleicht ein bißchen briefen könnte — hat der sofort abgelehnt, eigentlich dumm von ihm, wo er doch ein feines Honorar dafür hätte kriegen können — aber er kann wohl Rosa nicht so gut leiden — na ja, es war alles so, wie es immer ist — Schaller hat natürlich kein Wort begriffen und am Ende nur gesagt, daß er jetzt doch wieder zum Analytiker geht, weil er gelesen hat, daß Freud damals gesagt hat: „Geben Sie mir Stalin für 48 Stunden, und ich rette die Weltgeschichte“ — diese Ostler, die kapieren wirklich gar nichts!
