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RAF-Aussteiger schildert Lebenslauf

Stuttgart (ap) — Der RAF-Aussteiger Baptist Ralf Friedrich hat am Donnerstag die von der Bundesanwaltschaft gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Er sei an den Vorbereitungen für das im Juni 1979 auf den früheren Nato-Oberbefehlshaber Alexander Haig und zwei Begleiter verübte Attentat nicht beteiligt gewesen, sagte der 44jährige Wirtschaftsingenieur vor dem Fünften Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart. Friedrich und seiner 42 Jahre alten Ehefrau Sigrid Sternebeck wird im Fall Haig jeweils dreifacher versuchter Mord zur Last gelegt. Frau Sternebeck wird außerdem Beteiligung an der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer im Herbst 1977 vorgeworfen. Sie hatte am ersten Prozeßtag entschieden bestritten, am Schleyer-Mord mitgewirkt und von der Aktion gewußt zu haben.

Der Angeklagte begann am Vormittag mit der Verlesung einer 100seitigen Erklärung, in der er seinen Werdegang und seinen Weg in die RAF schilderte. Sternebeck und Friedrich waren 1977 zur RAF gestoßen und hatten die Terrororganisation im Jahr 1980 wieder verlassen. In seiner Erklärung reflektierte der in Saarbrücken geborene Friedrich seine persönliche Situation und das politische Umfeld der 70er Jahre. Während seines Betriebs- und Volkswirtschaftsstudiums in Heidelberg sei er zum „Sozialistischen Patientenkollektiv“ gestoßen. Er habe die Haftbedingungen der RAF-Gefangenen verbessern wollen. Anfang 1975 habe er erfahren, daß sich sein Vater bereit erklärt habe, dem Verfassungsschutz regelmäßig Bericht zu erstatten. In jenem Jahr sei er als Buchhalter in die Kanzlei des Stuttgarter RAF-Anwalts Klaus Croissant gekommen. Als Ulrike Meinhof am 9. Mai 1976 erhängt in ihrer Zelle in Stammheim gefunden wurde, sei er davon ausgegangen, daß sie umgebracht worden war. „Der Tod von Ulrike Meinhof war für mich der Wendepunkt“, sagte Friedrich. Er habe sich damals gesagt: „Diesem Staat traue ich alles zu — und ich glaubte daran.“

Als er im November 1976 nach Hause zurückgekehrt sei, habe ihn sein Vater mit der „bösen Überraschung“ empfangen, daß er Kontakt zum Landeskriminalamt angab und ihm einen neuen Namen und neue Ausweispapiere anbot. Daraufhin habe er mit seiner Familie gebrochen. In der Kanzlei Croissant habe er im Februar 1977 die gerade aus Stammheimer Haft entlassene Brigitte Mohnhaupt als „intelligente, witzige und einfühlsame Person“ kennengelernt. Von diesem Zeitpunkt an habe sein „emotionales Hineingleiten in die Illegalität“ als Summe vieler kleiner Schritte stattgefunden. Da er perfekt französisch spreche, habe seine Arbeit darin bestanden, Kontakte zu prominenten Politikern, Literaten und Künstlern in Frankreich herzustellen. Ende Dezember 1977 sei eine Wohnung in Paris angemietet worden, in der er Brigitte Mohnhaupt wiedergetroffen habe. Die Terroristin habe ihn jedoch nicht für geeignet gehalten, in der Gruppe mitzuarbeiten.

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