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Einkaufsbummel aus der Couchgarnitur

■ Teleshopping — Auf Knopfdruck im Einkaufsparadies / „Direktmarketing“ via Mattscheibe

“Machen Sie sich's bequem, lehnen Sie sich zurück“ empfielt ein smarter junger Mann im Sat-1- Teleshop. Es ist 9.50 Uhr, beste Hausfrauensendezeit. Die 20 Minuten zwischen „General Hospital“ und „Edelweiß 91“ hat der Ottoversand gebucht, täglich von montags bis freitags. Ein zweiter Teleshop flimmert nachmittags von 15.35 bis 15.50 Uhr über die Mattscheibe, gerade rechtzeitig, um die Teilzeitarbeiterin oder die Hausfrau beim Kaffee zu erwischen.

Der freundliche junge Mann erklärt erstmal, wie's funktioniert: Die Ottoprodukte werden vorgeführt, mit Bestellnummer und einer Telefonnummer. Wer zum Hörer greift, wird in spätestens zehn Tagen beliefert. Was nicht gefällt, kann innerhalb von 14 Tagen zurückgegeben werden. Und nun: „Viel Spaß beim Einkauf.“ Musik, das Otto-Logo erscheint, Käufliches fliegt aus dem Katalog auf die Zuschauerin zu, Schnitt. Eine Moderatorin, im Outfit exakt zwischen flotter junger Mutter und Avon-Beraterin, preist ausführlich ein 15-teiliges Microwellengeschirr.

Der Versand wählt für die Präsentation ModeratorInnen „vom freien Markt“, wie Otto-Pressesprecher David Wessler erklärt. Etwas Bühnen- oder Sprechererfahrung sollten sie schon haben. Aber zu profesionell geht es auch

Hier bitte das

Foto vom Fernsehen

Da lächelt die GlotzeFoto: J. Oberheide nicht zu. Die ModeratorInnen entwerfen ihre Texte nach einer Rahmenvorgabe selbst. Kleine Versprecher kommen in der Life- Aufzeichnung vor, das ist eben „menschlich“ meint Wessler, eben eine Empfehlung von Frau zu Frau. Damit der Teleshop den unverwechselbaren Sat-1-Look bekommt, berät der Sender, das Konzept aber stammt von Otto.

Angepriesen werden an diesem Vormittag noch eine Kekspresse für die garantiert mehlstaubfreie Küche, eine Schminkkasette (Nr. 87, für nur 49,95 Mark) und für die lieben Kleinen zu Weihnachten „Mr.Pig“, das grunzende und laufende Batterie-Plüschschwein.

Auf dem Konkurrenzkanal RTL-plus wirbt Versandhaus

Quelle zweimal täglich im Showladen. Tele 5 und Pro 7 schieben Teleshopping-Reklame für teils abstruse no-name-Produkte in ihre üblichen Werbesendungen. Vom Rock-Sampler von Time- Life über das Luxus-Strickensemble bis zum Superfix-Saugblock, der für 29 Mark mit jedem Fleck fertig wird, kann man alles telefonisch ordern. Der Anruf landet im Telefonnetz der SDM (Service-Agentur für Direktmarketing), die mit zahlreichen Anbietern zusammenarbeitet.

„Direktmarketing“ ist das Zauberwort für den Versuch, die Telekommunikation zu nutzen, um an neue Käuferschichten heranzukommen und bisher ungenutzes Konsumpotential zu aktivieren. So sieht das auch Otto-Sprecher David Wessels: „Die Bestellungen über den Teleshop machen nur einen sehr kleinen Prozentsatz aus. Brot und Butter verdienen wir nach wie vor mit dem Kataloggeschäft. Aber trotzdem ist Teleshopping als Verkaufsweg für uns interessant.“ Die Gründe: Der Bekanntheitsgrad des Unternehmens wächst durch die tägliche Fernsehpräsenz. Die Produkte werden durch die Darstellung auf dem Bildschirm auch für KundInnen interessant, die bisher nicht „versandhandelsgeneigt“ waren. Sie bestellen über Teleshop und werden treue Katalogkunden, hofft Wessler.

Die Teleshop-Kundschaft ist in ihrer Struktur weitgehend identisch mit den KatalogkäuferInnen, hat eine Marketing-Studie des Otto-Konzerns ergeben: Es sind zum großen Teil Frauen zwischen 25 und 45, die sich zum Kauf verlocken lassen, darunter viele Hausfrauen. Wessler legt allerdings Wert darauf, daß Otto mit Katalog und Teleshop eine breite Zielgruppe anspricht. Die Motivation, zum Telefon zu greifen, statt durch die Geschäfte zu streifen, ist ähnlich wie bei Katalogkundinnen: keine Zeit, aus dem Haus zu gehen, kein Lust auf Verkehrs- und Menschengewühl, keine attraktive Einkaufsmöglichkeit in der Nähe. Und schließlich kann man ja umtauschen, was einem nicht gefällt.

Da allerdings heißt es aufpassen, meint zumindestens die Verbraucher-Zentrale. Die Stiftung Warentest hat im Mai 1991 verschiedene Anbieter gestestet. Versandhäuser wie Otto und Quelle gehören demnach zu den seriösen Tele-Verkäufern. Schließlich kann man sich die Ware auch noch in Ruhe im Katalog ansehen und vergleichen. Die Bedingungen für Umtausch und Rückgabe sind korrekt. Mit Produkten, die nur über den Bildschirm angeboten werden, kann es allerdings Ärger geben, warnt die Verbraucher-Zentrale. Lieferfristen werden nicht eingehalten. In der Fernsehverkaufsshow werden Erwartungen geweckt, die das Produkt nicht erfüllt. Die Verbraucherberatung empfiehlt deshalb, die flüchtigen Angebote auf Video aufzuzeichnen oder die Produktbeschreibung zu notieren. Gekauft werden sollte nur auf Rechnung. Annemarie Struß-von Poellnitz

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