Es war einmal in Amerika

■ Amerika, wie es nicht im USA-Handbuch stand

„Amerika, how are you?“ Schon am Flughafen ist alles weit unübersichtlicher als erwartet. Der Subway-Express, den die Homelady (vom bed & breakfast-Service für Privatunterkünfte) aus New York per Brief empfahl - er existiert nicht mehr. Pleite gegangen. Mangels BenutzerInnen.

Die Sammeltaxis in Mini-Bussen sind auch viel praktischer. Und kaum teurer (14 Dollar pro Person). Und sie fahren direkt vor die Haustür, weil eine unfreundliche Hostess in nullkommanix für jeden Busfahrer die passende Route zusammenstellt. Nur fährt der manchmal gar nicht so rationell durch das übersichtliche Straßencarree New Yorks — weil er die „ersten Adressen“ der Luxushotels dann doch zuerst anfährt. Und so hat sich eine Stunde nach Ankunft ein zweites Klischee verbraucht. Sollten hier nicht alle irgendwie gleich sein?

Während der Reise hinunter an den Golf von Mexico bestätigen sich dagegen andere Vorurteile über den American Way of Life: das über die Autogesellschaft zum Beispiel. Die findet ihren Sinn nicht nur in der Überwindung der unvorstellbaren Entfernungen. Sie bestimmt auch das Kleinstadtleben: Der Briefkasten — autogerecht an der Ausfahrt des Shopping-Centers installiert. Der Bankschalter — dto. Für europäische Augen besonders pervers: der „Drive Thru“ vom „Frozen-Yogurt-Shop“. Dorthin fahren die Mütter mittags mit ihren Kids im Fond und lassen sich die Eisbomben bei laufendem Motor durch's Fenster reichen.

Andere Zeugnisse Amerikanischer Alltagskultur: Eine Bar, die sich den Barkeeper spart, weil sie auf Automaten umgestiegen ist. Drinks und Cocktails rotieren in grellen Farben, fix und fertig gemischt, wie in Waschmaschinentrommeln. Je nach Bedarf werden Daiquiri, Pina Colada und Chocolate Dream in Riesen-Pappbecher gezapft.

Was die „Hoch“-Kultur anbelangt, ist für die Konzeption amerikanischer Museen „Living History“ der Renner. Nicht nur in Williamsburg, wo seit Jahrzehnten Museumspädagogen und StudentInnen eine Stadt der Kolonialzeit wiederbeleben: Dort wird traditionelles Handwerk gepflegt, dort leben die MitarbeiterInnen ihre historische Rolle als Schmied, als Zeitungsverleger, als Kolonialwarenhändler soweit es geht „wirklich“. Doch über dieses Vorzeige-Projekt hinaus proklamieren auch andere Museen „Living History-Konzepte“ für sich.

Zum Beispiel in Michie's Taverne: einem der ältesten Gasthäuser, das in Amerika erhalten wurde. Die Taverne stand leider verkehrsungünstig an einem Feldweg. Konsequenz? Das Gasthaus wurde kurzerhand abgebaut und an anderer Stelle, an einem High-Way mit großem Parkplatz, neu errichtet. Frauen in nostalgisch langen Gewändern kassieren den Eintritt, führen in den Schankraum — und knipsen nach kurzer Begrüßung eine Tonbandanlage an. Wie von Geisterhand geführt wandeln die BesucherInnen durch die Räume. In jedem Zimmer erhalten sie über Lautsprecher neue Anweisungen, wo welche Knöpfe zu bedienen sind — Geschichte lebendig gemacht.

Und das Positive? Das begegnet einer zum Beispiel jeden Morgen am Eingang zum Frühstückssaal im Hotel: „How are you today?“ Das fragt die in jugendlichen Shorts steckende Zuweisedame am Counter, fragt die ebenso gekleidete Bedienung, fragt die Hilfskraft am Frühstücksbuffet. Aber vorsicht: Bloß nicht antworten. Das irritiert. Birgitt Rambalski