Leukämie-Rätsel gelöst?

■ Bremer Physik-Professorin dem Blutkrebs auf der Spur

Bei der Suche nach Ursachen für das gehäufte Auftreten von Leukämieerkrankungen bei Kindern in der Elbmarsch bei Tespe/Kreis Harburg hat die Bremer Physikerin Professor Inge Schmitz-Feuerhake eine heiße Spur entdeckt. Nach einer Tagung der Arbeitsgruppe „Leukämie in der Elbmarsch“ unter Leitung der Lüneburger Bezirksregierung sagte die Wissenschaftlerin am Freitag, aufgrund erster von ihr durchgeführter Tests „könnte nun doch Radioaktivität als Verursacherin“ in Frage kommen. „Der Befund ist ein Hinweis, die Versuchsreihe fortzuführen. Meine Prognose ist, daß wir etwas finden“, sagte die Strahlen-Physikerin.

Schmitz-Feuerhake hat bei den Geschwistern von fünf der an Blutkrebs erkrankten Kindern die Chromosomen in weißen Blutkörperchen untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß dort etwa doppelt so viele durch radioaktive Strahlung geschädigte Chromosomen wie üblicherweise zu erwarten festgestellt wurden. Das sei zwar nicht ohne weiteres bedeutsam, meinte Schmitz-Feuerhake, „aber bei Kindern fällt die Rate der manipulierten Chromosomen nach der Bestrahlung schneller ab als bei Erwachsenen.“ Die Physikerin will deshalb jetzt ihre Untersuchungen an Erwachsenen fortsetzen. Bestätigt sich ihr Verdacht auch dort, dann müsse es sich um eine „kollektive Verseuchung“ handeln, denn „diese Menge an Radioaktivität kann nicht in einzelne Haushalte geschleppt werden“, betonte die Wissenschaftlerin.

Eine Fülle von Überwachungsdaten für das Kernkraftwerk Krümmel in der Elbmarsch und das benachbarte Forschungszentrum der Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt (GKSS) mit seinen jahrzehntealten Versuchsreaktoren legte das Kieler Sozialministerium bei der Tesper Arbeitstagung der Öffentlichkeit vor. Die Daten belegten, daß zumindest auf den bekannten Wegen keine radioaktiven Stoffe abgegeben wurden, die über den zulässigen Grenzwerten lagen.

Diesen Daten trauen die in einer Bürgerinitiative zusammengeschlossenen Bürger deshalb jedoch nicht, weil es ausgerechnet bei Meßgeräten in Tespe-Marschacht sogenannte „Ausreißer“, also unerklärliche Erhöhungen der Werte, gegeben hat und weil als unabhängige Überwachungsstelle die GKSS fungiert.

Die Bürgerinitiative argwöhnt, daß die 1983 aufgetretene Panne bei der Forschungseinrichtung nicht die einzige war, bei der radioaktive Strahlung entwich. Damals gelangte beim Öffnen einer Bestrahlungskapsel Jod 131 in die heiße Laborzelle über den Kamin in die Umwelt mit einer fünffachen Jahresdosis. Weitere Erkenntnisse erhoffen sich Bürger und Wissenschaftler von den anlaufenden Untersuchungen im Auftrag des Kieler Sozialministeriums, vor allem von der Überprüfung der Krankenakten aller Mitarbeiter des Atomkraftwerks Krümmel und der GKSS. Dort ist nämlich ein Mitarbeiter unmittelbar nach seiner Pensionierung an Leukämie erkrankt.

dpa