Neuste Trends unter den Kriminellen

■ Im vereinigten Berlin 1991 rund eine halbe Millioen Straftaten/ Zahl der Delikte jedoch hinter Befürchtungen der Polizei zurückgeblieben/ Immer beliebter werden Büro- und Geschäftseinbrüche

Berlin. Mit rund 500.000 registrierten Straftaten verzeichnet die Polizei 1991 im vereinigten Berlin einen neuen Kriminalitätsrekord. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der Delikte um 42 Prozent. Damit sei die Kriminalität jedoch hinter den Befürchtungen der Polizei zurückgeblieben, sagte gestern Polizeipräsident Georg Schertz. Schließlich seien mit dem Ostteil der Stadt 60 Prozent mehr Einwohner und 80 Prozent mehr Fläche hingekommenn. Im West-Berlin waren im vergangenen Jahr rund 351.000 Delikte registriert worden, für den Ostteil fehlen entsprechende Angaben.

Einige Kriminalitätsbereiche seien allerdings »völlig aus dem Ruder gelaufen«, räumte Schertz ein. So hätten die Büroeinbrüche um 113 Prozent, die Geschäftseinbrüche sogar um 153 Prozent zugenommen. Dieser dramatische Anstieg sei zumeist auf die mangelnden Sicherheitseinrichtungen im Ostteil der Stadt zurückzuführen. Der Autodiebstahl stieg um 130 Prozent. Bis Ende November wurden fast 14.000 Fahrzeuge als gestohlen gemeldet — darunter viele Nobelkarossen, die nach Polen verschoben wurden. Schertz: »Die nahe Grenze macht uns zu schaffen.«

Große Sorge bereite der Polizei zudem der Anstieg der Jugendgewalt um 172 Prozent. Drei Viertel aller Raubdelikte auf Straßen und Plätzen verübten junge Menschen unter 21 Jahren. Auch die Opfer stammten zu drei Viertel aus der gleichen Altersgruppe. Der Polizeipräsident forderte ein härteres Vorgehen gegen jugendliche Mehrfachtäter. Zwei Prozent von ihnen begingen inzwischen 20 Prozent aller Straftaten in Berlin. Für mehrfach straffällig gewordene Jugendliche müßten mehr Heimplätze eingerichtet werden. Rund zwei Drittel aller jugendlichen Straftäter sind Deutsche.

Obwohl der Ausländeranteil in Berlin bei nur neun Prozent liegt, sind 27 Prozent aller Tatverdächtigen ausländische Staatsbürger. Seit der Grenzöffnung reisten immer häufiger Ausländer in die Hauptstadt ein, um Einbrüche oder Scheckbetrügereien zu begehen. Die Polizei reagierte auf diese zumeist organisierte Kriminalität mit speziellen Kripo-Arbeitsgruppen für Straftäter aus der Sowjetunion, Rumänien und Südamerika. Erste Erfolge wurden bereits verbucht: 35 Tatverdächtige der sogenannten Sowjetmafia wurden ermittelt, 13 sitzen bereits in Untersuchungshaft. Ihnen wird in den meisten Fällen die Erpressung von Schutzgeld bei in Berlin lebenden Landsleuten vorgeworfen. Südamerikanische Betrüger haben es dagegen meist auf Schecks und Scheckkarten abgesehen.

Der Einsatz von 126 Kriminalbeamten zum Aufspüren von früherem DDR-Unrecht und zur Ahndung von Vereinigungskriminalität — dem Verschieben von Grundstücken und Bankguthaben — sei »auf Dauer nicht durchzuhalten«, sagte Schertz. Die Kriminalisten würden für die Verfolgung der übrigen Wirtschaftskriminalität dringend benötigt. Der Polizeipräsident plädiert für eine Außenstelle des Bundeskriminalamtes in Berlin zur Verfolgung der DDR-Regierungs- und Vereinigungskriminalität. Gegenwärtig könnten nur Beweismittel sichergestellt werden, schon für deren Auswertung fehle das Personal. dpa