Von Putschisten und Prinzen

Berlin. Lange ist es her, da strebte die SPD »zur Sonne, zur Freiheit«. Heute sind die Sozialdemokraten ein ganzes Stück weiter — und im Tunnel unter dem Tiergarten gelandet. Einigen SPD-Leuten gefällt dieser Verdunkelungskurs nicht. Der Kreuzberger SPD-Chef Peter Strieder hat sich schon bereit erklärt, »den Vorsitz der Bürgerinitiative gegen den Tunnel« zu übernehmen, wenn sich die CDU mit ihren Vorstellungen durchsetzt. Unwohl fühlt sich auch Bürgermeisterin Christine Bergmann. »In Höhlen und Tunneln bekomme ich es immer mit der Angst«, bekannte sie dieser Tage.

Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky traut sich nicht alleine in den Tunnel. Zu den Verhandlungen über die Betonröhre, die die Koalitionsparteien am Donnerstag führten, kam Landowsky zum Erstaunen der Sozis mit einem großen Gefolge. Darunter waren mit den Abgeordneten Diethard Schütze und Manfred Preuss zwei Männer, die bisher verkehrspolitisch nie in Erscheinung getreten waren — die jedoch der CDU-internen Fronde gegen Eberhard Diepgen zugerechnet werden. Nachdem Schützes Seilschaft auf dem letzten CDU-Parteitag für einige Eklats gesorgt hatte, versucht Landowsky offensichtlich, die Putschisten einzubinden.

Richtige Angst vor Schütze und Konsorten hat die herrschende CDU-Riege jedoch offensichtlich nicht. Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete und Diepgen- Freund Peter Kittelmann lehnt sich schon wieder zurück. »Schützes Aufstand ist längst zusammengebrochen«, verriet er interessierten Sozialdemokraten. »Diese jungen Leute arbeiten zuwenig.«

Innerparteiliche Zwistigkeiten plagen auch die AL. Weil die Kreuzberger Bezirksgruppe der Igel-Partei es abgelehnt hatte, mit dem kurdischstämmigen Sozialarbeiter Giyas Sayan einen Ausländer zum Bürgermeisterkandidat zu nominieren und statt dessen an der gestandenen Kommunalpolitikerin Barbara Österheld festhielt, fielen die Kreuzberger Grünen in der eigenen Partei in Ungnade. Vom AL-Landesausschuß wurden sie gebeten, ihre Entscheidung zu überdenken, blieben jedoch trotzig bei ihrem Votum. Folge: Einige Ausländer sind bereits aus der Partei ausgetreten, der Immigranten-Bereich der AL diskutiert über seine Auflösung.

Ein überaus prominenter Ausländer, der am Mittwoch die Stadt besuchte, wurde unterdessen von den Grünen hofiert. Zum Empfang von Prinz Charles warfen sich AL-Fraktionschefin Renate Künast und Pressesprecher Stefan Noé schick in Schale. Auf die erstaunte Frage, wohin sie denn strebten, jauchzte Noé: »Wir gehen zu unserem Öko-Prinzen!«Hans-Martin Tillack