Frischer Wind in der Stadt

■ Das „Astoria“ ist eröffnet / Tausende bevölkerten Freitagnacht das alte Zentralbad

In der Straße „Am Richtweg“, dort, wo sich Fuchs und Hase um die Zeit sonst gute Nacht sagten, tobte Leben. Menschenschlangen waren schon von weitem zu sehen. Gruppenweise strömten junge Leute auf den Eingang des alten Zentralbades zu. Ältere spazierten auf der gegenüberliegenden Straßenseite - um sich das Spektakel zu begucken.

Das „Astoria“ ist eröffnet. Zur ersten öffentlichen Disco Freitag nacht kamen Tausende. Viele von ihnen aus dem Umland, wie den vorbeirollenden und parkplatzsuchenden OHZ-CUX-und ROW- Karossen abzulesen war.

Die Jungs vom Sicherheitsdienst mit ihren Walky-Talkies hatten alle Hände voll zu tun, um am Eingang kein Chaos entstehen zu lassen. Die Absperrgitter, vorsorglich bereitgestellt, wurden jedoch nicht gebraucht. Von den BesucherInnen wußte natürlich so gut wie keine, wie das Eintritts- und Verzehrkartensystem funktionierte. „Ganz schön teuer“, grummelten dann auch einige, als sie ihre sieben Mark Eintritt abgedrückt und eine Lochkarte als quasi „hausinterne Kreditkarte“ in Empfang genommen hatten. „Und wenn ich die verlier? Dann muß ich 60 oder 70 Mark löhnen“, munkelte einer. Laut Hausordnung ist er nur verpflichtet, fünf Mark im Haus zu verzehren — zahlbar beim Verlassen des Astoria gegen Abgabe der Karte. Was manchmal allerdings zu viele auf einmal erledigen wollen.

Reibungslos funktionierte die Abfertigung an den Bars und Tresen: Trotz Menschenmassen, die sich wundersam verteilten, kam frau schnell zu Cola, Sekt oder Bier. In sämtlichen Nischen waren (zumindest bis kurz nach Mitternacht) noch Stühle oder Barhocker frei, auch die Tanzfläche blieb übersichtlich.

Die Wendeltreppe hinauf zur Ballustrade entpuppte sich als bester Platz für VoyeurInnen (die sich für den Hipp-Hopp vielleicht doch schon zu alt fühlten). Dort stand es sich hautnah am Gedränge und dennoch mit Überblick über Bars, Rolltreppen und Tanzfläche. Einige hatten sich auf dem Balkon auch Barhocker an die Reling gestellt und guckten bequem von oben herab. Etwa zu den zwei Grazien, die sich langhaarig blond (sehen sie nicht irgendwie alle gleich aus? ) im engen Schwarzen gegenseitig anräkelten. Oder zu der Lederjacken- Clique mit Schmalztolle und Bier in der Hand, die selbstvergessen voreinander tanzten.

Dabei waren nicht nur Jugendliche gekommen. Das Publikum war erstaunlich gemischt. Selbst Nerzmäntel waren den Taxen entstiegen (sie waren allerdings eher in der Cafe-Bar oder im italienischen Restaurant zwischen den nostalgischen Astoria-Fotos von einst zu finden).

Bremen, das Dorf mit Straßenbahn, hat mit dem „Astoria“ städtisches Flair bekommen. Noch gibt es Kinderkrankheiten in der Akustik. Da soll einiges passieren, versprach der Manager. An der Tee-und Cafe-Bar fehlt noch der Strom für heiße Getränke. Noch stehen die Premieren für Kleinkunst und Konzert aus. Doch der frische Wind (nicht nur aus der hervorragenden Belüftungsanlage) ist spürbar. Birgitt Rambalski